Wilhelm Gärtner und die Neuanfänge der Volksbildung in Oberösterreich nach dem Ersten Weltkrieg Von Ernst Wenisch V orbemerkungen Wilhelm Gärtner war in den Jahren 1920/21 bis 1924 gemeinsam mit Adalbert Depiny Landesre ferent für das Volksbildungswesen in Oberöster reich und Gründer der Kunststelle des Landesre ferates A Die „Landesreferenten für das VolksbUdungswesen" wurden mit Erlaß des deutsch österreichischen Unterrichtsamtes vom 30. Juli 1919, Z. 16450, betreffend die Genehmigung ei nes Regulativs für die Organisation des Volksbil dungswesens in Deutschösterreich eingerichtet^, des sogenannten ,,Glöckel-Regulativs", benannt nach dem Leiter des Unterrichtsamtes, Unter staatssekretär Dr. Otto GlöckeP. Es handelt sich um die Position der später so bezeichneten ,,Bundesstaatlichen Volksbildungsreferenten"". Gärtner schied 1924 aus dem Amt; Depiny folgte ihm (bis 1938) allein^. 1945-1955 war Hans Commenda Bundesstaatlicher Volksbildungsreferent, sein Nachfolger war Aldemar Schiffkorn®. Dieser hatte vor seiner Berufung zum Bundesstaatlichen Volksbildungsreferenten (30. November 1955) als Leiter des mit einstimmigem Beschluß der oberösterreichischen Landesregierung vom 30. Juni 1947 errichteten Oberösterreichischen Volksbildungswerkes reiche volksbildnerische Erfahrungen sammeln können.'' Auch Gärtner war nicht zufällig vom Staatsamt für Unterricht zum Landesreferenten für Volksbildung in Ober österreich berufen worden. Umfassend gebildet und im Volksbildungswesen des Landes längst tätig, hatte er 1918/19 den ,,Landesverband zur Förderung der Volksbildung in Oberösterreich" gegründet, wurde zu seinem ersten Leiter ge wählt und war in dieser Eigenschaft auch mit dem erwähnten Regulativ kritisch befaßt. Über diese Neuanfänge des Volksbildungswesens in Oberösterreich nach dem Zusammen bruch der Österreichisch-Ungarischen Monar chie handelt der folgende Beitrag. Dabei ergaben sich - vor dem Hintergrund historisch einmaliger und daher auch verschiedener Situationen - doch überraschende Parallelen zu den Pionierleistun gen der Gründergeneration nach dem Zweiten Weltkrieg. In dem kritischen Dialog zwischen freier Volksbildung und staatlicher Kulturver waltung, repräsentiert durch den Landesverband zur Förderung der Volksbildung in Oberöster reich und durch das Staatsamt für Unterricht bzw. dessen Volksbildungsamt, zeigt sich - gleichsam zeitüberdauernd - die spannungsrei che Dialektik von zwei legitimen prinzipiellen Positionen in einem demokratisch verfaßten Staatswesen: die Forderung der Verbände und Vereinigungen nach Autonomie und nach „Sachförderung ohne Sachbeeinflussung"; und das vom Staat beanspruchte Recht nach einer, Freiheit und Pluralität zwar voll respektierenden, ^ Gärtner Wilhelm Dr. phil., MittelschuUehrer, Volksbüd ner, Oberstudienrat, in: Biographisches Lexikon von Oberösterreich, 8. Lieferung (1962), Blatt 1. - Depiny Adalbert Dr. phil., Professor, Bundesstaatlicher Volksbil dungsreferent i. R., op. dt., 2. Lieferung (1956), Blatt 1. ^ Kundgemacht in: „Volkserziehung", Nachrichten des österreichischen Unterrichtsamtes, Amtlicher Teil (Ver ordnungsblatt für den Dienstbereich des österr. Staatsam tes für Unterricht), Jg. 1919, Nr. 45; im Auszug wiederge geben im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes V/5/58/11 vom 23. Juni 1958, in Eduard Seifert / Ernst We nisch, Zur Frage eines österreichischen Volksbildungsge setzes, hrsg. vom Institut für Grundlagenforschung im Ring österreichischer Bildungswerke, Salzburg o. J., S. 103 ff. - Das Regulativ wurde auf Antrag der Kärntner Landesregierung durch das erwähnte Erkenntnis des VfGH aus formalen Gründen aufgehoben; in manchen in haltlichen Grundzügen bestimmt es die staatliche Tätigkeit im Bereich der Erwachsenenbildung bis heute mit. ^ Otto Glöckel (1874-1935), sozialdemokratischer Politiker und Schulreformer, 1918-1920 Unterstaatssekretär für Unterricht. '' Der Landesreferent führte seit 1927 die Bezeichnung „Bundesstaatlicher Volksbildungsreferent für Oberöster reich", so Adalbert Depiny, Freie Volksbildung in Ober österreich, in: Volksbildung, Jg. 1928, herausgegeben von der VolksbildungssteUe im Bundesministerium für Unter richt, S. 321. - Seit der Erlassung des „Bundesgesetzes über die Förderung der Erwachsenenbildung und des Volksbüchereiwesens aus Bundesmitteln" vom 21. März 1973 „Leiter der Förderungsstelle des Bundes für Erwach senenbildung" genannt; die frühere Bezeichnung wird aber auch heute noch weithin verwendet. 5 Martha Khil, Adalbert Depiny/Ein Lebensbild, in: Oö. Heimatblätter, Jg. 1, 1947, S. 2ff.; der Volksbüdner S. 10 ff. ® Hans Commenda, Erinnerungen eines Linzer Volksbüd ners, in: Schriftervreihe des Oö. Volksbildungswerkes, Band 10, Linz 1961, S. 9. ' Zehn Jahre Oberösterreichisches Volksbildungswerk, in: Schriftenreihe wie Anm. 6, Band 5, S. 20, und Biographi sche Mitteüungen zur österreichischen Erwachsenenbil dung, hrsg. vom Institut für Erwachsenenbildung (Heft I), Salzburg 1965, S. 8.
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