Politik ist ein schmutziges Geschäft* Beispiele dieser Art, die Volkes Stimme wieder geben, ließen sich leicht vermehren. Das gilt auch für die Republik Österreich, denkt man etwa an das Niveau politischer Auseinandersetzungen vor der letzten Wahl, vor der Wiederwahl des Bundespräsidenten zurück. In der mehrheitlichen Zustimmung zu State ments wie den hier vorgestellten, die man - im Gegensatz zum ,,Spieger'-Jargon - gewiß nicht als ,,Urteile" bezeichnen kann, spiegelt sich ein Bewußtsein, das nur schwer mit den geistigen Bedingungen einer demokratischen politischen Kultur zu vereinbaren sein dürfte, wie sie etwa Martin und Sylvia Greiffenhagen- in ihrem Buch ,,Ein schwieriges Vaterland" - meinen. Im Zulauf zum Präsidentschaftskandidaten Bur ger drückt sich ähnliches, aber nicht minder Be denken Erregendes aus, so daß es nicht damit ge tan sein kann, angesichts der niedrigen absoluten und relativen Zustimmung, die dieser Mann er fuhr, zur Tagesordnung überzugehen. Offenbar haben die hier angesprochenen Verhal tensweisen nichts oder nur wenig mit der Infor miertheit derer zu tun, die so sich äußern, haben vermutlich auch nichts oder nur wenig zu tun mit der Befindlichkeit in der Gesellschaft und in dem Staat, in dem sie leben, ja sie stehen diesem Be finden diametral gegenüber, so daß man von ei nem gespaltenen politischen Bewußtsein spre chen kann: ,,Mir geht's gut; aber die ganze Rich tung gehört verändert" oder ,,Ich fühle mich pu delwohl; aber die Politik, der ich dieses Sosein verdanke, ist undurchsichtig, ist trübe, ist schmutzig." Stereotype, Klischees, Vorurteile paaren sich mit einem Festhalten an gesinnungs ethischen Attitüden, die für denkende Menschen seit Jahrzehnten, genauer seit Max Webers Schrift,,Politik als Beruf" obsolet geworden sein sollten. Angesichts der Daten und Fakten, angesichts der Zustimmung zu Stereotypen, die unsere heraus ragenden politischen Akteure diffamieren, schließlich angesichts der Widersprüchlichkeit zwischen allgemeiner, weit verbreiteter Zufrie denheit mit dem System, in dem wir leben, einer seits und der negativen Disqualifizierung des po litischen Geschäfts im allgemeinen oder des poli tischen Tuns und Lassens ansehnlicher Demo kraten wie des österreichischen Bundespräsiden ten andererseits lohnt es weder, nach dem bishe rigen Versagen von Politischer Bildung in Schule und Volksbildung noch danach zu fragen, wie noch geistreicher, noch itefsinniger und itef gründiger, noch weiter ausholend Politische Bil dung ,,legitimiert" werden könnte. Zwei andersgerichtete Fragen stellen sich dem eher pragmatisch Denkenden, dem Vertreter ei ner Haltung von Regelungs- oder Lösungsbereit schaft sozialer und politischer Fragen hier und jetzt statt ihrer Einnebelung in philosophischen oder ideologischen Dunst: Kann ein gesellschaft lich-politisches System sich in Krisenzeiten er halten und gegebenenfalls auch regenerieren, wenn das Tun zum Zweck seiner Erhaltung und Regeneration so negativ besetzt ist, wie im Ste reotyp von der Politik als schmutzigem Geschäft zum Ausdruck kommt, wenn in einer Situation allgemeiner Prosperität, des In-sich-Ruhens ei nes Staates wie Österreich im Jahr 1980 ein faschi stoider Bramarbaseur eine bei Licht betrachtet er kleckliche Anzahl Bürger mobilisieren kann? Vor dieser Perspektive versteht sich die nicht arro gant gemeinte zweite Frage: Kann Politische Bil dung etwas dafür, dazu tun, um die demokratie gefährdenden Verhaltensweisen - ,,Verhalten" in jenem weiten Sinn gemeint, der verbale Äuße rungen und den Vollzug von Wahlentscheidun gen einbezieht-bei den einen abzubauen und bei den anderen zu verhindern? Was kann sie tun und wie kann sie versuchen, diese handfesten Ziele zu verwirklichen? Hier soll eine HUfshypothese eingeschoben wer den, die vielleicht für die Beantwortung unserer FragenfüUe, Fragenvielfalt nützlich werden kann; sie lautet: Österreicher wie Deutsche sind gleichermaßen oder doch wenigstens ähnlich, vergleichbar ge kennzeichnet durch hohes Informationsniveau, reges Interesse, aktive Beteiligungsbereitschaft als ,,politische Lebewesen" und ineins damit durch Anfälligkeit für Stereotype, Vorurteile, ,,Der Spiegel" vom 2. Juni 1980, S. 50.
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