OÖ. Heimatblätter 1981, 35. Jahrgang, Heft 1/2

gene Einfälle und originäre Ideen zuzutrauen, etwas Neues (auch wenn es schon einmal von anderen erdacht und entdeckt worden ist) zu fin den und zu ,,erfinden". Was allerdings in letzter Zeit von manchen Liedermachern und anderen Machern geboten wurde, verrät werüger eine Kreativität im schöpferischen Sinne, sondern oft nicht einmal die gekonnte Imitation von „Origi nalität" und mutet eh er als billige Effekthasche rei an. Trotzdem ist neben der kulturellen Sensibilisierung die Hinführung und Befähigung der Menschen zu kreativer Selbsttätigkeit eine not wendige und legitime Aufgabe kultureller Er wachsenenbildung. In diesem Zusammenhang erinnert man sich auch an die Forderung, alle Bildungs- und Kul turarbeit müsse innovatorisch sein. Während die einen selbst in harmlosen Experimenten sofort gesellschaftsverändernde und zerstörende Kräfte am Werk wähnen, glauben die Innovationseuphoriker, mit der Zukunft im Bunde zu sein, wenn sie Veränderung um ihrer selbst willen für Fortschritt halten. So manches Innovationsge habe resultiert - so scheint es - oft aus der Unlust oder dem Unvermögen, sich mit kulturellen Phä nomenen und Problemstellungen ernsthaft aus einanderzusetzen, weil das oft recht mühsam ist, und intellektuelle Anstrengung verlangt. So mu tet die Innovationseuphorie oft wie eine Flucht nach vorne an, weil Enttäuschung und Frustra tionen, wie sie die tägtiche Kleinarbeit mit sich bringt, nicht bewältigt werden. Andererseits ver steinert die gesamte Kultur- und Bildungsafbeit, wenn sie auf ausgefahrenen Geleisen bleibt und unkritisch und oft recht selbstzufrieden auf Er fahrung und Tradition ausruht. Es ist nicht nur notwendig, die einmal festgesetzten Ziele, aus gewählten Inhalte und einmal bewährten Ar beitsweisen theoretisch zu reflektieren, sondern in Form von innovatorischen Experimenten und Projekten alternative Denk- und Handlungsmu ster vnit klaren Zielvorstellungen zu entwickeln und in der laufenden praktischen Arbeit auf ihre Tauglichkeit und innovatorische Wirksamkeit hin zu erproben. Die Erfahrung zeigt, daß jede Innovation, die ohne gewissenhafte und über legte Planung, Qualitäts- und Zielprüfung, die gleichsam ,,aus dem Bauch heraus", erfolgt, meist in einer Sackgasse endet. Es ist erfreulich, daß heute nicht nur im Bil dungsbürgertum (gibt es das überhaupt noch?), sondern in breiten Bevölkerungsschichten ein verstärktes kulturelles Interesse festzustellen ist. Das beweisen die geradezu sensationellen Besu cherzahlen bei den großen kulturhistorischen Ausstellungen, die mit einer ,,Kultur für alle", wie H. Hoffmann meint, nichts zu tun hätten, „weil diese Mammutausstellungen zu Dinosau riern mit immer größeren Leibern und immer kleineren Köpfen geworden seien und statisti sche Ergebnisse als Erfolg suggeriert würden"''. Unbestritten bleibt aber doch die Feststellung, daß die große Nachfrage nach kulturellen Ange boten, nach Musik, Literatur, bildender Kunst, nach Foto, Film, Video, Zeichnen, Mal- und Bastelkurs sowie das Interesse am historischen Erbe, an der Heimatgeschichte, an der OrtsbUdpflege, die kulturelle Bedürftigkeit der Menschen signalisieren. Sie wollen eben von Zeit zu Zeit von den Zwängen des Berufslebens frei sein, ha ben erkannt, daß der Mensch ,,nicht vom Brot allein" lebt und daß die totale „Verzweckung" des Daseins nicht die letzte Erfüllung des Lebens ist. Praktiker der örtlichen Bildungs- und Kultur arbeit berichten, daß die Leute in letzter Zeit für eine selbständige aktive Mitarbeit auf bestimm ten Interessensgebieten eher zu haben sind als für eine bloß informelle Beschäftigung mit Kunst, Literatur, Musik, Theater usw. Das wäre ja das ideale Fernziel aller Kulturarbeit, über die Teil nahme hinaus, das Bedürfrüs zum Selbsttun, zur Reproduktion und Produktion zu wecken. Auf den ersten Blick mag es als idealtypische Vorstel lung abgetan werden, wenn etwa über das re produktive Musizieren oder Theaterspielen hin aus auf speziellen Kursen Teilnehmer zum Kom ponieren oder Schreiben angeregt werden. Es wird ja nicht ohne weiteres für selbstverständlich gehalten, daß man den Umgang mit Tönen, mit sprachlichen oder künstlerischen Mitteln auch Amateuren zutraut. Nach Meinung vieler bleibt eben das Komponieren und Stückeschreiben (weniger das Malen) besonders begabten Spezia listen, also den Komponisten und Schriftstellern, vorbehalten. Mit Hilfe der heutigen Techriiken sind kreative musikalische Experimente leichter möglich als früher. Literarische Kurse bieten nicht mehr Litemtargeschichte, Information über Literatur, sondern fördern durch Arbeit am Text den Umgang mit Literatur. Die Auseinanderset zung mit lebensbezogenen Texten der Gegen wartsliteratur mündet oft in der Einladung an die Teilnehmer, sich selbst mit Fragen der eigenen Alltags- und Vorstellungswelt schreibend aus einanderzusetzen, das Produkt vorzulesen und zu diskutieren. Eine Gruppe, die gemeinsam ein Theaterstück herstellt, braucht neben einem ' HilmarHofftnann, ,,Kultur für alle" (Vortrag im Kulturzen trum Mattersburg am 24. Oktober 1980).

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2