um die realistische Wende hätte man den Ein druck gewinnen können, daß Erwachsenenbil dung auf das Lebensnotwendige, auf das Nützli che und Brauchbare verkürzt und das Kulturelle als Verzierung des Lebens an den Rand gedrängt werde. Kultur wird ,,zum schönen Umsonst und Zufluchtsstätte der vom häßlichen Alltag Unbe friedigten, zum Feld, auf dem man sich entspan nen kann"2. Die Erwachsenenbildung hat sich immer ,,vom Menschen" her verstanden, richtete sich auf den ganzen Menschen und auf alle Bereiche des menschlichen Lebens, wollte und will die kogni tiven, emotionalen, die kulturellen und die ma nuellen Fähigkeiten entwickeln und fördern. Ein Blick in die Programme und Angebote der öster reichischen Erwachsenenbildungs-Organisatio nen zeigt, daß sie nie einer einseitigen ,,Verhirnung" verfielen, denn schon immer gab und gibt es selbst in den berufsorientierten Einrichtungen der Erwachsenenbildung kulturelle Angebote. Alle Versuche, die berufliche von der allgemei nen und die allgemeine von der kulturellen Bil dungsarbeit voneinander abzuheben und in zwei voneinander getrennte Bereiche zu zerlegen, sind durch die Praxis laufend widerlegt worden. Bildung ist Bestandteil von Kultur, hat aber zu gleich die Aufgabe, sie den Menschen zu er schließen, zu ihr hinzuführen, sie zu erweitern und zu verändern. Der kulturpolitische Maß nahmenkatalog des Bundesministeriums für Un terricht und Kunst geht von der erwiesenen Tat sache aus, daß zwischen Kulturverhalten und Bildung ein enger Zusammenhang besteht. Alle Probleme und Resolutionen des Europarates, der UNESCO und des 2. Vatikanischen Konzils grün den in einem sehr weit gefaßten Bildungs- und Kulturbegriff. Bildung und Kultur bleiben heute allerdings nicht mehr beschränkt auf die bekannten Institutionen der sogenannten Repräsentativkultur, wie Oper, Theater, Konzertsaal, Museum und wissen schaftliche Bibliothek, sondern umfassen auch „alle Formen der Kreativität, der Kommunika tion, Integration und Partizipation von Einzelnen und Gruppen - von der persönlichen Lebens weise über gemeinsames Handeln bis zu künstle rischer Betätigung"^. In der Diskussion um die heutige Bildungs- und Kulturarbeit wird immer wieder betont, daß der neue Kulturbegriff sich nicht ausschließlich an der kulturellen Vergan genheit und Tradition orientiert, sich nicht elitär versteht, nicht auf bloßem Kulturkonsum be schränkt, sondern Begriffe wie Teilhabe oder Par tizipation, Rezeptivität und Kreativität, Anima tion und Innovation, Kommunikation und Ko operation eine bedeutende Rolle spielen. Diese vielgehörten und vielgebrauchten Begriffe sind oft mißverstanden und mißbraucht worden und so zu simplifizierenden Schlagwörtern ver kommen. Hannelore Blaschek hat vor einiger Zeit in einem Aufsatz hingewiesen, wie schillernd und viel deutig die Begriffe Animation, Kreativität, Kom munikation usw. sind und gebraucht werden'*. KaTlaForbeck äußerte sich recht kritisch, vor allem der Begriff ,,Kommunikation" scheint manchen als Kampfargument gegen herkömmliches Kul turgut geeignet. Vergessen wird dabei, daß na hezu alle gesellschaftlichen Vorgänge und indi viduellen Lebensäußerungen von Kommunika tionsvorgängen abhängig sind, ohne daß damit inhaltKch bzw. poKtisch auch schon etwas über ihren Sinn und ihre Legitimation gesagt wäre. Geradezu aber als aberwitzige Einengung mit nicht nur begrifflichen Konsequenzen müssen daher Vorstellungen sein, die Kommunikation und Kultur primär in „Kommunikationszentren" verwirklicht sehen möchten®. So wird auch Rezeptivität als ein Verweilen in dumpfer Passivität, als Flucht und Rückzug ins Private diffamiert und nicht bedacht, daß echte Rezeptivität nicht einem unkritischen Dahindösen gleichzusetzen ist, sondern die Bereitschaft zum Hören, Schauen und Verstehen, zum Auf nehmen entwickelt und somit erst die Vorausset zung für alle Kreativität schafft. Man übersieht einfach, ,,daß auch beim Lesen und in der Inter pretation von Dichtung, beim Anhören von Mu sik, beim annehmenden Verstehen von Malerei immer auch Mittun, Nachvollzug gemeint ist, und umgekehrt, daß Malen und Zeichnen das Beispiel voraussetzt und selbst Blockflötenspie len eine Ahnung vom Klang der großen Orche ster"®. Kreativität will die Phantasie anregen, den Mut beflügeln, kritisch zu denken, zu wählen, sich ei- ^ Günther Böhme, Bildung, Musische Bildung - Erwachse nenbildung. 3 Horst Opaschowski, Einführung in die freizeitkulturelle Brei tenarbeit, Bad Heilbrorm 1979. " Hannelore Blaschek, Einige ,,Schlüsselwörter" der Anima tion: Thesen und Fragen. In: Theorie und Praxis der Er wachsenenbildung, 1979/4. ® Karla Forbeck, Leerer Kampf am Worte - Wenn der Kultur begriff zur billigen Münze verkommt. In: Zwischen Oper und Kulturladen, Beiträge zu einer anderen Kulturpolitik; Das Vorwärtsbuch, Bonn 1978. ^ Kurt Mässner, Kulturelle Erwachsenenbildung, Westermann-Taschenbuch, 1976.
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