Zur gegenwärtigen Situation und zur zukünftigen Entwicklung der österreichischen Erwachsenenbildung Von Hans Altenhuber 1. Konzeptionen zur Weiterentwicklung der Erwachsenenbildung; Internationale Doku mente Zwei internationale Dokumente der siebziger Jahre haben Signalwirkung für die zukünftige Entwicklung der Erwachsenenbildung: Das Übereinkommen der Internationalen Arbeitsor ganisation vom Jahr 1974 über bezahlten Bil dungsurlaub und die Empfehlung der General konferenz der Organisation der Vereinten Natio nen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) vom Jahr 1976 über die Entwicklung der Erwachsenenbildung. Beide Dokumente for dern ein Umdenken der Öffentlichkeit und der verantwortlichen PoKtiker im Hinblick auf Bil dungskonzeptionen und die Bildungspolitik. In einer modernen Bildungspolitik kann demnach nicht mehr die Schule allein das Um und Auf aUer Bildung sein, sie muß vielmehr auf zwei gleich wertigen Standbeinen stehen, der Schule und der Erwachsenenbildung. Die wichtigsten Ge danken dieser beiden Dokumente seien nachste hend nochmals kurz in Erinnerung gerufen. Das Ubereinkommen 140 der Allgemeinen Kon ferenz der Internationalen Arbeitsorganisation vom 5. Juni 1974 hält in Artikel 1 und 2 folgendes fest:^ Artikel 1 In diesem Ubereinkommen bedeutet der Begriff „bezahlter Bildungsurlaub" einen Urlaub, der einem Arbeitnehmer zu Bildungszwecken für eine bestimmte Dauer während der Arbeitszeit und bei Zahlung angemessener finanzieller Lei stungen gewährt wird. Artikel 2 Jedes Mitglied hat eine Politik festzulegen und durchzuführen, die dazu bestimmt ist, mit Me thoden, die den innerstaatlichen Verhältnissen und Gepflogenheiten angepaßt sind, und nötigerrfalls schrittweise, die Gewährung von be zahltem Bildungsurlaub zu fördern, und zwar zum Zwecke a) der Berufsbildung auf allen Stufen, b) der allgemeinen und politischen Bildung, c) der gewerkschaftlichen Bildung. Den gleichen Wortlaut haben auch die Punkte I. 1. und II. 2. der Empfehlung 148 der Allgemei nen Konferenz der Internationalen Arbeitsorga nisation vom 5. Juni 1974. An diese Dokumente knüpften sich große Hoffnungen der Erwachse nenbildner in vielen Ländern. Der gesetzliche Bildungsurlaub sollte einen wesentlichen Anstoß zur Weiterentwicklung der Erwachsenenbildung bringen, insbesondere durch verstärkte Teil nahme von bildungsmäßig unterprivilegierten Schichten, die bisher einer Weiterbildung fern standen. Diese Hoffnungen wurden bald etwas gedämpft. Selbst in den Ländern, in denen es zur Einführung eines allgemeinen Bildungsurlaubes kam, wie in einigen Ländern der Bundesrepublik Deutschland und in Frankreich konnten die daran geknüpften Erwartungen nicht ganz er füllt werden. Eine wesentliche Steigerung der Teilnahme bildungsmäßig unterprivilegierter Schichten an der Erwachsenenbildung trat nicht ein. Es zeigt sich, daß rechtliche Regelungen al lein nicht ausreichen. Es müssen dazu intensive Maßnahmen der Bildungsinformation und Bil dungsberatung Erwachsener sowie eine größere Transparenz der Erwachsenenbildung kommen und auch neue Formen und Inhalte zur Gewin nung bildungsmäßig unterprivilegierter Schich ten erprobt werden. Nicht zuletzt hat die schwie riger werdende wirtschaftliche Situation dazu beigetragen, daß die gesetzliche Einführung des Bildungsurlaubes nicht die erhoffte Wirkung brachte. Das Dokument der UNESCO, das am 26. No vember 1976 von der Generalkonferenz der UNESCO bei ihrer 19. Sitzung in Nairobi ange nommen wurde, stellt eine umfassende Empfeh lung über die Entwicklung der Erwachsenenbil dung dar.^ Sie kam nach einer langjährigen in ternationalen Diskussion zustande, die von dem Gedankengut der UNESCO-Weltkonferenz über Erwachsenenbildung 1972 in Tokio ausging. Aus dem Text der Empfehlung, die sich in zehn Kapi tel gliedert und insgesamt 67 Punkte umfaßt, seien in diesem Zusammenhang nur zwei we sentliche Gedankengänge hervorgehoben. Im ' Siehe Text des Obereinkommens in: Erwachsenenbildung in Österreich, Sonderheft 1975. ^ Der Text der UNESCO-Empfehlung ist wiedergegeben in: Erwachsenenbildung in Österreich, Heft 11/1977.
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