OÖ. Heimatblätter 1981, 35. Jahrgang, Heft 1/2

gestalten. Hier kommt uns das lateinische Wort ,,colere" zu Hilfe, von dem der Name Kultur stammt. ,,Colere" bedeutet zunächst bebauen, einen brach liegenden Acker bestellen, das Wort ist also dem landwirtschaftlichen Lebensbereich entnommen. Im übertragenen Sinn bedeutet colere aber pflegen, verschönern, veredeln. Ein Mensch mit Kultur ist also bemüht, alle Lebens bereiche im Sinne von Veredelung schöpferisch zu gestalten. Schöpferisch, das heißt aus seinen persönlichen Fähigkeiten heraus, das heißt aber auch in der erforderlichen Freiheit, denn nur in der Freiheit kann das Eigene, die Individualität Charakterisierende entstehen. Der Anspruch, der von der Kultur ausgeht, ist, wie schon diese wenigen Hinweise deutlich machen, ein totaler und ein universeller. Ein totaler, weil er den gan zen Menschen erfassen will und ein universeller, weil er alle Lebensbereiche einbeziehen will. Kul tur haben heißt mithin konkret, durch Bildung alle Fähigkeiten und positiven Anlagen entfalten; heißt einen durch eine Wertordnung geprägten Lebensstil zu entwichen; heißt durch ein geord netes Verhältnis zur Mitwelt einen Beitrag zur Humarüsierung der Gesellschaft zu leisten, wo bei Rücksichtnahme und Toleranz dieses Ver hältnis in bester Weise absichern; heißt Ver menschlichung der Arbeitswelt, denn unleugbar sind gesicherte Arbeitsplätze und humane Ar beitsbedingungen Zeichen und Voraussetzung für eine bestimmte Kulturstufe; und heißt schließlich, allüberall in der Gemeinschaft für ein rechtes Verhältnis von Freiheit und Ordnung einzutreten. Weil also Kultur nicht irgendeine Frage, sondern eine existenzielle Frage des Menschen ist, darum hielten und halten es die Verantwortlichen im Lande für wichtig, daß die Bevölkerung mehr als früher über Kulturprobleme diskutiert. Das kann sie nur, wenn ihr möglichst viele Möglichkeiten und Gelegenheiten geboten werden. Aus diesem Grund wurde die Vermehrung und Aktualisie rung des Kulturangebotes zu einem entschei denden Leitsatz der Kulturpolitik des Landes Oberösterreich. Als eine außerordentlich wirksame und gern an genommene Initiative haben sich in diesem Sinn die Kulturwochen erwiesen. Derartige Kulturwo chen reichen mit ihrer Wurzel in die fünfziger Jahre zurück. Damals standen sie allerdings stär ker unter dem Aspekt der Erwachsenenbildung. Sie nannten sich auch Bildungswochen. Die erste Bildungswoche in Oberösterreich gab es im Jahr 1969, und zwar in der Gemeinde Fggelsberg*. Sie wurde vom Kulturring Fggelsberg unter der Lei tung von Konsulent Dr. Ernst Kubesch in Zu sammenarbeit mit dem Landesinstitut für Volks bildung und Heimatpflege veranstaltet und stand unter dem Motto: ,,Die Welt von heute braucht mehr als je zuvor gebildete Menschen." Von 1969 bis Ende 1974 wurden im Land insgesamt 28, von Mitgliedseinrichtungen des Oö. Volksbil dungswerkes allein oder in Zusammenarbeit mit anderen Institutionen durchgeführte, Bildungs und Kulturwochen registriert. Noch im Jahr 1974 startete der Landeskulturreferent Dr. Ratzenböck eine großangelegte Aktion zugunsten der Durch führung von Kulturwochen in möglichst vielen Gemeinden des Landes. In einem Rundschreiben an die Bürgermeister, Kulturreferenten und Bil dungswerkleiter wurde auch die Zielsetzung neu umrissen. Kulturwochen sollen zunächst eine kulturelle Selbstdarstellung des Ortes sein. Alle Personen und alle Gruppen, die kulturelle Lei stungen zu erbringen imstande sind, sollen sich in geeigneter Form vorstellen und der Bevölke rung bewußt machen, welches kulturelle Po tential in ihrer Gemeinde vorhanden ist. Darrüt wird ein mehrfacher Zweck erreicht: zum einen bietet sich die Möglichkeit, die Leistungsfähigkeit der heimischen Kräfte kennenzulernen, zum an deren ergibt sich die Chance, den verschiedenen Kulturträgern des Ortes, wde etwa die Blasmu sikkapellen, die Liebhaberorchester, die Chor vereinigungen, die Sängerrunden, die Amateur theatergruppen, aber auch die Frwachsenenbildner und Heimatpfleger einmal in den Mittel punkt des Interesses zu rücken und ihnen gebüh rend dafür zu danken, daß sie jahraus, jahrein wesentliche Teile ihrer Freizeit für die anderen opfern. Und schließlich kann man durch die Kul turwochen Aufschluß darüber erhalten, in wel chen Kulturbereichen es in der Gemeinde gut be stellt ist, in welchen weniger und in welchen echte Lücken klaffen. Sehr viele Gemeinden ma chen, wie aus den Berichten hervorgeht, die Frfahrung, daß die Leistungen in den Kulturwo chen größer sind als die Erwartungen und daf daher die Gemeindebürgerschaft sehr oft über den Umfang und die Qualität der kulturellen ,,Eigenproduktionen" echt erstaunt ist. Gemein same Arbeit an einem gemeinsamen Ziel schmie det zusammen. Aus diesem Grund stärken die Kulturwochen auch überall die Gemeinschaft in nerhalb der Gruppen, die Zusammenarbeit der Gruppen und das Verständnis zwischen den Agierenden und dem Publikum. Zugleich führen * Hilde Hofinger: Kultur- und Bildungswochen in Oberöster reich; in: Oö. Heimatblätter, 31. Jg. (1977), S. 68.

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