OÖ. Heimatblätter 1981, 35. Jahrgang, Heft 1/2

Buchbesprechungen Aldemar Schiffkom: Heinrich Suso Waldeck: Zeugnis eines Lebens. (= Schriften zur oberösterreichischen Literatur. 1). Hrsg. Adalbert-Stifter-Institut des Landes Oberösterreich. Linz 1980. 144 Seiten. 32 Abb. S 95.-. ISBN 3-85214-298-9. Dieses handliche Büchlein, solid gebunden, reich illustriert, mit schönen Faksimile-Seiten versehen, verfaßt von Hofrat Dr. Aldemar Schiffkom, herausgegeben vom Adalbert-Stif ter-Institut und der oö. Landesregierung, hat am 9. Dezem ber 1980 Landeshauptmann Dr. Josef Ratzenböck in festlicher Runde vor vielen prominenten Gästen präsentiert. Der Ver fasser, weithin bekannt als Gründer und erster Leiter des Adalbert-Stifter-lnstitutes imd Leiter des Landesinstitutes für Volksbildung und Heimatpflege, seit dem Jahre 1953 - wie das Kapitel ,,Nachklang" berichtet - mit der Suso-WaldeckForschung, besonders im Raum Oberösterreich, vertraut, hat hier vor seinem Scheiden aus dem aktiven Dienst gleichsam einen Gmndstein gelegt mit dem Band 1 für die ,,Schriften zur oö. Literatur". Da wir seit 30 Jahren befreundet, gemein sam um das Werk Heinrich Suso Waldecks bemüht sind, habe ich gern auch aus meinen bisherigen Forschungsergebnissen und dem von mir betreuten Nachlaß des Dichters das nötige Material bereitgestellt. Heinrich Suso Waldeck, den Josef Weinheber ,,einen der größten Lyriker seiner Zeit" nannte, dem er auf eigene Kosten ein,,Grabdenkmal setzen" wollte, ist heute auch unter Fach leuten der Literatur weithin unbekannt. Als er am 4. Septem ber 1943 im stillen Mühlviertel starb, gab es neben vielen in al ler Welt zerstreuten Gedichten zwei Lyrikbände, einen Ro man, ein Märchenbuch, allerdings auch den ,,Künstlerpreis der Stadt Wien" (1928) und den „Großen österreichischen Staatspreis für Literatur" (1937). Viele kannten seine Stimme aus dem Radio (Gründer der Geistlichen Stunde). Im Alter von 53 Jahren war er mit den,, Antlitzgedichten" ins Licht der Öffentlichkeit getreten, im März 1938 war sein Stern erlo schen. Die nach dem Krieg begonnene Ausgabe „Gesam melte Werke" wurde seither vom Verlag nicht fortgesetzt, durch den Vertrag war der gesamte Nachlaß blockiert. Derzeit ist alles vergriffen. Dankbar begrüße ich Schiffkorns Buch. Hoffentlich ist es ein Signal für einen Neubeginn. Der unbefangene Leser ist wahr scheinlich schockiert über dieses unruhige Leben und das Werk, das auch viel Schauriges bringt. Hinter dem wohlklin genden Namen Heinrich Suso Waldeck steht der bürgerliche Name August Popp. Der Dichter war ein Augustinus. Sein Leben war ein jahrzehntelanges Ringen eines Menschen, Priesters und gottbegnadeten Dichters zwischen gähnenden Abgründen und mystischen Höhen. Und da erkannte er: ,,Das Dunkel in allen Dingen ist Gott. Ich höre Dich schwei gen im Dickicht, Göttliche Taube". Größer als die kleine literarische Ernte ist die Ausstrahlung dieser starken Persönlichkeit durch den Rundfunk, durch viele Nikodemusgespräche, durch viele tiefe Dialoge über die sprachliche und ethische Reinheit des Wortes. Schiffkom bringt bedeutsame Worte von Rudolf Henz über Susos Wir ken in seinem literarischen Kreis ,,Leostube". Wir lesen, was der Dichter am Beispiel des düsteren Gedichtes ,,Begräbnis tag" über die Inspiration zu sagen hat. Wir erfahren, wie der kritische Deutschprofessor Dr. Fritz Michaelis mißtrauisch liest im „Schmierheft" seines Kollegen, des Religionsprofes sors August Popp, und dabei dem großen Lyriker Heinrich Suso Waldeck auf die Spur kommt. Als ich nach des Dichters Tod bemüht war, in den letzten Kriegswirren mit der Erbin Maria Sipöcz (Tante Marcsa) die Manuskripte zu ordnen und wichtige biographische Quellen zu sichem, fragte mich Susos Jugendfreund Dr. Franz Luger, ob ich bereit sei, eine ungeschminkte Biographie zu schrei ben, bevor er mir die ersten Daten dieses tragischen Lebens anvertraute. Waldecks literarisches Werk ist von seinem Le ben nicht zu trennen. Das weiß auch der Literarhistoriker Schiffkom, der als religiös Wissender mit viel Taktgefühl die ses Leben erzählt. Die Prosa des Dichters steht immer im Schatten seiner Lyrik, die ja auch mehr bekannt ist. Es fehlte ihm wohl auch für um fangreiche Romane die nötige Seßhaftigkeit. In ,,Lumpen und Liebende" stellt er selber den ,,faulen" Dichter (Lyriker) dem ,,fleißigen" Schriftsteller gegenüber. Im Nachlaß finden sich drei unvollendete Romane; „Der Tanz im Pelz", über dessen Konzept uns die veröffentlichte Erzählung „Der Weg zu ihrem Sohn" informiert, ein namenloses Fragment, das wir ,,Bärenklau" nannten, und ,,Er und sein Meßner". Alle diese Fragmente verraten viel Einblick in die Menschenher zen. Der Dichter plante noch in St. Veit einen Roman aus der Umwelt eines Vierkanthofes. Es ist auch noch viel kleine Prosa vorhanden. Unter den Märchen will ich besonders hinweisen auf das geheimnisvolle Volk der ,,Lüttemaren", die taub sind für den Baß und für das Wort ,,Gott" und an der großen ,, Ahnde" (Sehnsucht) sterben, weil sie nichts wissen von ,,Gott, dem Baß aller Dinge", und auf das Märchen vom ,,Zaubrischen Spiegel", das von der Würde der Mutter er zählt, - jedenfalls kann die große Handel-Mazzetti bei der an fänglich schwierigen Lektüre von ,,Lumpen und Liebende", so gesteht sie, ,,aus dem Entzücken nicht mehr heraus". Wie Waldecks Lyrik ist auch seine Prosa sehr eigenwillig. Ein end gültiges Urteil wird uns vielleicht erst die weitere Sichtung des Nachlasses ermöglichen. Viele Menschen standen im Bannkreis dieses Mannes, der die längste Zeit seines Lebens im Schatten stand. Es waren nicht nur die Besucher der ,,Leostube", das Buch nennt einige prominente Namen. Auch der kleine Einblick in den Briefver kehr beweist das. Mit dem fernen Freund Emst Scheibelreiter unterhält er sich über literarische Probleme. Sehr herzlich ist der Briefwechsel mit dem gleichaltrigen Freund, dem Bruck nerschüler und Linzer Domkapellmeister sowie Chorherren von St. Florian, Franz Xaver Müller, der auch Susos Gedicht „Späte Grille" vertonte. Aber auch der junge Maturant aus Ried i. I., Bruno Ammering, ein begabter Dichter, der als jun ger Leutnant in den Ardennen gefallen ist, hat in Suso einen gütigen Freund und Berater gefunden. Auch im einsamen St. Veit - Suso hatte bei den Schwestern ein gastliches Heim fand Suso einen neuen Freundeskreis in Oberösterreich. Kurz vor seinem Tod ehrte man den geachteten Dichter, es erschie nen im Jahrbuch ,,Stillere Heimat" drei Gedichte. Das Buch Schiffkorns ehrt auch die beiden mütterlichen Frauen, die das große Kind Suso Waldeck im Leben umsorgten; Maria Sipöcz und Schwester Lioba sowie den treuen Dorfschmied Josef Gahleitner.

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