volkskundlichen Forschung und Probleme zeitgemä ßer Heimatpflege . . . Das Selbstverständnis der Volkskunde hat sich gewandelt, sie ist von einer de skriptiven und historisierenden zu einer Gegenwarts wissenschaft geworden. Der Dorfabend Sogenannte Heimabende^"® waren im westlichen Oberösterreich noch bis vor einigen Jahrzehnten Mittelpunkt der Geselligkeit auf Bauernhöfen. Heimabende fanden im Sommer vor dem Haus im Freien und im Winter in der Stube statt. Be wußt übernimmt Eduard Kriechbaum diese Ein richtung ländlicher Feierabendkultur und macht sie zu einer Arbeitsform der ländlichen Volksbil dung- zum Dorfabend^i". Jeder Dorfabend steht unter einem bestimmten Leitgedanken, nach dem sich der Verlauf des gesamten Abends aus richtet. Der heimatkundliche Vortrag (Dauer höchstens dreißig Minuten) steht im Mittelpunkt, der von Darbietungen örtlicher Sänger und Mu sikanten und gemeinsamem Spielen und Tanzen umrahmt wird. Selbstverständlich findet nach dem Vortrag ein gemeinsames Gespräch statt. Gesang, Musik, Tanz und Stegreifspiel bilden mit dem Vortrag eine Einheit. Bevorzugte The men Kriechbaums sind: Kultur- und Naturge schichte der Heimat, das Bild des Landes, einer Landschaft oder einer Siedlung, zuerst unter be stimmten Blickwinkeln und schließlich als Ganz heit betrachtet. Eduard Kriechbaum versteht es, an und für sich sehr nüchterne Themen auf Dorfabenden zu be handeln. So hält er etwa im Herbst 1949 in 32 Innviertler Orten Dorfabende ab, um die Bevölke rung zu bewegen, sich der Tuberkuloseschutz impfung nach Calmette^^^ zu unterziehen, wobei es ihm gelang, in seinen Vorträgen eine sinnvolle Verbindung dieser medizinischen Materie mit Heimatgeschichte, Denkmalpflege und Heili genkunde zu erreichen. Der Erfolg zeigte sich in einer sehr hohen Impfbeteiligung. Er berichtete darüber: ,,Von der weißen Pest, der Tuberkulose, kamen wir zu den Pestzeiten, zu den furchtbaren Kriegsfolgen, die Albrecht Dürers ,Apokalypti sche Reiter'darstellen. Die Pfeile, die den Kör per des . . . Heiligen Sebastian vergifteten, brachten uns zum Lebensbilde des großen deut schen Forschers Robert Koch, dem Entdecker des Tuberkulosebakteriums." ^ ^ ^ Kriechbaum unterscheidet zwischen ,,großem" und ,,kleinem" Dorfabend. Der große Dorfabend wird für eine ganze Gemeinde veranstaltet und ist in der Regel immer sehr gut besucht. Er findet im ansehnlichsten Saal des Dorfes statt. Die Dorfbewohner schmücken ihn; Lied, Spiel und Tanz werden von ihnen geboten. Ein großer Dorfabend bringt die ganze Gemeinde auf die Beine. Eine Werbung für diese Veranstaltung er übrigt sich, da fast jedes Haus einen Mitwirken den stellt. Auch bescheidene musische Begabun gen und schöpferische Kräfte werden so zur Ent faltung gebracht. Die gesamte Gemeinde wird aktiviert, was auch zur Festigung der Dorfge meinschaft beiträgt. Der Dorfabend bildet noch lange nachher Gesprächsstoff. - Der kleine Dorfa bend beschränkt sich von vornherein auf einen engeren Kreis. Der Vortrag steht ganz im Mittel punkt. Grundsätzlich wird auch hier nicht auf Lied und Musik verzichtet. Kleine Dorfabende bilden den Grundstein für daraus erwachsende selbsttätige örtliche Arbeitsgemeinschaften. Eduard Kriechbaum, ,,der klassische Methodiker des Dorfabends"^^"; ist bei Seminaren und Ta gungen des Oberösterreichischen Volksbil dungswerkes immer mit Erfolg bemüht, die Volksbildner in die Methoden der Dorfabend gestaltung einzuführen. Durch Kriechbaums ,, Volksbildung auf heimatlicher Grundlage", die ihren vollendeten Ausdruck in einem gut gestal teten Dorfabend findet, werden Dorfgemein schaften zu Trägern des ländlichen Volksbil dungsgedankens. Für die allgemeinen Volksbil dungswerke im ländlichen Raum ist das Bestehen der Dorfabende unerläßlich. Für die ,,Mitteilungen des Oberösterreichischen Volksbildungsioerkes" verfaßt Eduard Kriech baum eine Fülle von vielbeachteten Beiträgen, darunter Einzelabhandlungen und Aufsatzrei hen, wie: ,,Festrede bei der Südwestdeutschen Archivar- und Historikertagung in Konstanz. Re ferat über das Volksbildungswerk" 0g. 1, Nr. 1, 1951), ,,Wandern und Reisen in Oberösterreich als Aufgabe der Volkserziehung. (Beispiel Land klöster und Wallfahrtskirchen.)" 0g. 1, Nr. 4, Man nannte sie auch „Hoagarten" (= Heimgarten). Über die Anfänge siehe: Schiffkorn, Aldemar W. M.: Phil. Diss., S. 196ff. Albert Calmette führte die BCG-Schutzimpfung ein. Dieses Dürer-Bild zeigte er bei den genannten Vorträgen. Kriechbaum, Eduard: Aus dem Nachlaß. Jb. 1949, S. 257. Schiffkorn, Aldemar: Das Notwendige in bescheidenem Rahmen möglich zu machen . . . Die Arbeit der allgemei nen Volksbildungswerke. In: 10 Jahre Verband österrei chischer Bildungswerke (= Schriften zur Volksbildung des Bundesministeriums für Unterricht, Bd. 17). Wien: Neue Volksbildung 1964, S. 115. "5 Ebenda. S. 79. Erschienen ab Oktober 1951. - Vgl. den Beitrag von Ho finger und Assmann im vorliegenden Heft, S. 22f.
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