Die Arbeitsgemeinschaft,,Inn-Salzachgau" Trotz des Verbotes einer wirtschaftlichen oder gar politischen Vereinigung von Deutschland und Österreich blieb die Hoffnung auf einen spä teren Zusammenschluß der beiden Staaten be stehen. Zumindest auf kulturellem Gebiet war man bestrebt, die erwünschte Einigung schritt weise vorzubereiten. Aus diesem Streben bezog die Heimatbewegung nach 1918 entscheidende Impulse. Ziele der Heimatbewegung waren das Wiederverwurzeln mit Boden, Landschaft und Siedlung, das Band von Mensch zu Mensch über Parteien und entgegengesetzte Weltanschauun gen hinweg, das Wiederbesinnen auf das Ge meinsame. Das Losungswort hieß nicht,,Heimat erhalten", sondern ,,Heimat schaffen". Vor allem im bayerisch-österreichisch-böhmischen Grenzraum machte sich diese neue Heimatbe sinnung bemerkbar, die von dem Bewußtsein ei ner auf Stammesgemeinschaft beruhenden Kul turgemeinschaft der Ostbaiern getragen war, die auch politische Grenzen nicht zu trennen ver mochten. Die Heimatbewegung . . . richtet sich im Kern ihres Wesens gegen eine alles uniformierende Gleichmache rei. Sie verwirft den kurzsichtigen Nützlichkeitsstand punkt, der im Großkapitalismus seinen wärmsten Freund hat, sie erstrebt aber kein Wolkenkuckucks heim, sondern eine Verknüpfung idealer und materiel ler Interessen. . . . Letzten Endes will aber die Heimat bewegung ihre Maximen, die sie beim Studium von Land und Leuten anwendet, auch auf das praktische Leben übertragen. Der Schutz der ,,heimatlichert Eigenart", der Heimatschutz also, solle sich nicht auf seltene Pflanzen und alte Stadttore, auf Volkslieder und bunte Trachten erstrecken, sondern allem voran die Eigenart des einzelnen Menschen achten. Wie Kriechbaum, mit dem er freundschaftlich ver bunden war, stellt Wilhelm Gärtner^*, einer der großen Männer der Innviertler Heimatbewegung^^ den Menschen in den Mittelpunkt: ,,Die alte Richtung (der Heimatbewegung, Anm. d. Verf.) ging aus von Landschaftsformen, von Bau ten, Trachten, Sitten, Gebräuchen: die neue muß ausgehen vom Menschen!"^® Diese sollte, folgt man Kriechbaum und Gärtner, durch einen mög lichst breit angelegten Bildungs- und Erzie hungsprozeß, zu einer das ganze Volk umfas senden Kulturbewegung werden. Denn „der Heimatgedanke braucht, soll er wirksam werden, die Volkserziehung"Dazu bot sich die ,,neue" Volksbildung an. ,,Volk-bildung durch Volksbil dung" lautete die Devise. „Wie sollte nur eine oft beinahe lächerlich wir kende und für die Allgemeinheit belanglose Liebhaberei (gemeint ist die Heimatkunde, Anm. d. Verf.) . . . die Energien für eine so starke Volksbewegung wie die Heimatbewegung lie fern?" fragt Eduard Kriechbaum rückblickend in seinen Erinnerungen. Zur Verstärkung der Zusammenarbeit und zur Überwindung der örtlichen Verkümmerung der zahlreichen, einzeln für sich arbeitenden Hei matvereine - die auf sich gestellt die Ziele der Heimatbewegung verfolgten - und der damit verbundenen Gefahrenplant er eine möglichst Vgl. Gärtner, Wilhelm: Heimat und Bildung. In: Volksbil dung, VII. Jg., Wien 1927, S. 69ff. Kriechbaum, Eduard: Die Heimattagung in Salzburg. 31. August bis 2. September 1925. Braunau: Stampfl 1925, S. 8. Als terminus technicus in der zeitgenössischen Literatur verwendet; nicht zu verwechseln mit der gleichlautenden Bezeichnung aus dem Bereich der österreichischen In nenpolitik vor 1938. - Vgl. etwa: Kriechbaum, Eduard: Heimatschutz. In: Braunauer Heimatkunde, Heft 17, Braunau1922. ''* Verfasser bedeutsamer Abhandlungen über Heimatbe wegung und Volksbildung, wie: Die Heimatbewegung in Oberösterreich. Ein Beitrag zur Frage der Volksbildung. 7. Flugschrift der Deutschen Arbeit, Prag 1914, 32 S. - Heimatkunde, Heimatschutz und Volksbildung. In: Volksbildung, I. Jg., Wien 1920, S. 108ff. - Heimat und Bildung. In: Volksbildung, VII. Jg., Wien 1927, S. 69ff. - Siehe dazu die Arbeit von Emst Wenisch in diesem Heft. Neben Kriechbaum und Gärtner müssen folgende Per sönlichkeiten genannt werden: Berger, Franz: 1874-1953, Weltpriester, Dr. phil. (Geschichte, Geographie), 1901-1933 im Schuldienst, ab 1907 einige Jahre am Gym nasium in Ried, zuletzt Landesschulinspektor; Vorkämp fer für die Verwirklichung des Heimatgedankens in der Schule und für die heimatkundliche Ausbildung der Leh rer. Ehrenmitglied der Universität Innsbruck 1951. - Nä here Daten in: Biographisches Lexikon von Oberöster reich, 8. Lieferung (1962), Bl. Iff. - Verf. u. a.: Die Hei mattagung in Braunau am Inn vom 15. bis 18. August 1920. Braunau: Stampfl 1920, 16 S. - Die oberösterreichi sche Heimatbewegung. In: Die ostbairischen Grenzmar ken, 14. Jg., Passau 1925, S. 242ff. - Depiny, Adalbert: 1920-1938 Herausgeber der ,,Heimatgaue", Vorläufer der von Kriechbaum geleiteten Zeitschrift ,,Der Heimatgau". -Verf. u. a.: Wege undZiele. In: Heimatgaue, 1. Jg., Linz 1920, S. Iff. - Heimatbewegung und Volksbildung. In: Heimatgaue, 2. Jg., Linz 1921, S. 133f. - Siehe dazu den Beitrag von Martha Khil in diesem Heft. Gärtner, Wilhelm: Heimat und Bildung, S. 75. Ders.: Heimatkunde, Heimatschutz und Volksbildung, S. 108. Aus dem Nachlaß: Bunte Bilder, S. 273. In Braunau war die Situation eine andere, da Kriechbaum von Anfang an die Arbeit des Heimatvereines fest mit den Intentionen der Volksbildung zu verbinden wußte. Kriechbaum nennt als solche: örtliche Enge, zeitliche Ein schränkung, Kirchturmmentalität, Verlust objektiver Maßstäbe, maßloses Aufbauschen unbedeutender Klei nigkeiten, Sammlung belangloser Antiquitäten imd Ku riositäten, Gegenwartsentfremdung und Fortschritts feindlichkeit.
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