so Kriechbaum - ist wie die erste Richtung einsei tig, da sie den Gefahren des Formalismus, der Unduldsamkeit und der Ideologieanfälligkeit of fenstehe und zuviele irrationale und emotionale Faktoren in sich birgt. Im Überschwang der er sten Begeisterung überschätzte man freilich diese Bildungshilfen, erhob sie gelegentlich sogar zu Bildungszielen, was aber den Vätern der ,,neu en" Volksbildung durchaus fernlag. Auf dem Weg zu einer neuen Volkskultur - der Heimatgedanke: Kriechbaum sieht vielmehr in einer bewußten Ffeimatpflege eine wichtige Grundlage der Volksbildung, die engere Heimat ist an die Stelle des verlorenen großen Vaterlan des getreten. Tagungen, Ausstellungen, Kruse, Arbeitsgemeinschaften sollen neben Vorträgen und Aufsätzen in Zeitschriften in den Dienst des ,,Heimatgedankens" gestellt werden; Volksbil dung müsse vom Heimatgedanken getragen sein. Besonderen Wert legt Kriechbaum auf die Selbsttätigkeit der Teilnehmer; gezielt soll die Volksbildung den Menschen in seiner Ganzheit erfassen und seine Anlagen fördern, ihn zum ,,denkenden Schauen und Beobachten anregen"^^. Wenn möglich, hält er Reihenvorträge, versucht das gesprochene Wort durch Tafeln und Skizzen zu beleben. Bei heimatkundlichen Themen führt er seine Zuhörer anschließend in die Natur hin aus, um ihnen dort das eben Gehörte zur unmit telbaren Anschauung zu bringen. Denn heimat kundliche Vorträge verlocken nicht allein, das Gehörte durch selbständige Lektüre von ein schlägigen Büchern und Zeitschriften zu vertie fen, sondern regen auch an, das Gehörte und Ge lesene sich selbst anzuschauen und zu wandern. Kriechbaum vertritt die Richtung einer neuen ,,intensiven" Volksbildung, im Gegensatz zur äl teren, reproduzierenden ,,extensiven" Volksbil dung. Eine ,,Krone der Heimatkunde" nennt Kriech baum, der seine Heimat im wahrsten Sinne des Wortes selbst erwandert hat, ,,die beobachtende Heimatwanderung" Die Beobachtung erreiche ihre höchste Vollendung im Einleben, im Einfüh len. Diese teilnehmende Beobachtung wird ge schult durch die ,,Heimatwanderung", das Wandern im Sinne Wilhelm Heinrich Riehls (Vorbereitung, Wanderung, Nachstudium)". Naturlandschaft, Städte, Kirchen, Klöster, Bur gen, Bauernhäuser, Geschichte, soziologische Gruppen und Einzelpersönlichkeiten sollen da bei in gleicher Weise berücksichtigt werden. Auch die Jugend könne besonders durch das Wandern für die Heimatkunde gewonnen wer den. Der Volksbildner hüte sich, beim Zuhörer einen Zustand ,,blasierter Halbbildung" zu erzeugen, der viel schädlicher sei als Unbildung. Ein einfa ches Thema gründlich zu besprechen sei besser, als von einem komplizierten nur ,,den Rahm ab zuschöpfen"^'*. ,,Es gibt keinen Volksbildner für alle"", d. h. es kann nach Meinung Kriechbaums nicht ein und derselbe Volksbildner Einfluß auf alle bildungswilligen Zuhörer aus den verschie denen Kreisen der Bevölkerung gewinnen; posi tiv formuliert; Kriechbaum betont die grund legende Bedeutung einer schichtspezifischen Übermittlung und vertritt die soziale Orientiertheit der Volksbildung. Er kleidet seine Eorderung in den bekannten Satz, der nicht nur für seine Tä tigkeit als „Gesundheitslehrer" Gültigkeit hat; ,, Volkslehrer und Hörer sollen so zusammenpas sen, wie Schlüssel und Schloß!"^® Der Volks kundler bringe die besten Voraussetzungen zum Volksbildner mit, die durch gründliche For schung gewonnene Erkenntnis der Eigenart des Volkes solle in der Volksbildung ihre Anwen dung finden. Interessant ist es, die Ansichten von Kriechbaum und die des um drei Jahre älteren Geramb - beide lernten einander persönlich auf der 1. deutsch österreichischen Volksbüdungstagung in Brau nau am Inn 1920 kennen - über das Verhältnis von Volkskunde zu Volksbildung zu betrachten. So stellt Viktor v. Geramb in seinem Vortrag ,,Von der bäuerlichen Volksseele in Österreich"^'' Kriechbaum, Eduard: Das Volksbildungswesen auf dem Lande, S. 140. Kriechbaum, Eduard: Beobachtung als Grundlage der Heimatkunde. In: Braunauer Heimatkunde, Heft 12, Braunau 1919, S. 64. - Siehe auch: Kriechbaum, Eduard: Die Heimatwanderung. In: Die ostbairischen Grenzmar ken, 17. Jg., Heft 1, Passau 1928, S. 14ff. Riehl, W. H.: Wanderbuch (Naturgeschichte des Volkes als Grundlage einer deutschen Sozialpolitik, Bd. 4). I. Aufl., Stuttgart: Cotta 1869. - Ders.: Naturgeschichte des deutschen Volkes. Hrsg.: Gunther Ipsen (= Kröners Taschenausgabe, Bd. 122). Leipzig: Kröner 1935, S. 41 ff. -Vgl.; Geramb, Viktor v.: Wilhelm Heinrich Riehl. Leben und Wirken. Salzburg: Otto Müller 1954, S. 382f. Kriechbaum, Eduard: Das Volksbildungswesen auf dem Lande, S. 139. Kriechbaum, Eduard: Heimatkunde als Grundlage des Volksbildrmgswesens. In: Braunauer Heimatkunde, Heft II, Braunau 1919, S. 10. Ebenda. " Gehalten beim Volksbildungstag in Langenlois am 27. Juni 1921. - Veröffentlicht in: Geramb, Viktor: Von ländlicher Volksbildungsarbeit (= Führer für Volksbild ner, Heft 1), Wien 1922, S. 3ff.
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