OÖ. Heimatblätter 1981, 35. Jahrgang, Heft 1/2

se. Im ersten Teil begründet er die Notwendigkeit einer Erziehung zur Gesundheitspflege und führt dann im zweiten Teil anhand von Beispie len vor, wie Gesundheitslehre in der Praxis be trieben werden müsse. Er muß für seine Zeit als überaus fortschrittlicher Volksbildner angesehen werden, einmal, wenn er die Aufgabe solcher Belehrung nicht in der damals noch angestrebten ,,Popularisierung der Wissenschaft" als solcher sieht, sondern viel mehr verlangt, daß der von der Wissenschaft er arbeitete Stoff im Gehirn des Volkserziehers so zusagen eine Verwandlung durchmachen müs se. Denn nicht systematische Vollständigkeit, wie sie die Wissenschaft anstrebt, sondern Aus wahl des Lebenswichtigen ist Aufgabe der Volksbildungsarbeit. Den heutigen Anschau ungen entspricht es ferner, wenn Kriechbaum stets verlangt, daß die Eigenart der zu Unterrich tenden und Bildenden für den Erzieher bestim mend sein müsse. Volksbildung auf heimatlicher Grundlage Wozu Volksbildung, was will sie erreichen, wie soll sie vor sich gehen? Mit diesen Fragen setzt sich Kriechbaum gleich nach Kriegsende ausein ander, wobei er besonders die damals keines wegs erfreulichen Verhältnisse auf dem Lande ins Auge faßt, was ja schon im vorangegangenen Abschnitt ausgeführt wurde. ,,Das Volksbildungswesen auf dem Lande" (in; Volksbildung, 1. Jg, Wien 1920, S. 137ff.) kann als seine erste grundlegende Auseinanderset zung mit Wesen und Aufgabe der Volksbildung betrachtet werden. Die Einbeziehung der Hei matkunde - gleichsam als Bildungsprinzip - empfiehlt er in seiner Arbeit,,Heimatkunde als Grundlage des Volksbildungswesens" (Volks bildung, in. Jg., Wien 1922, S. 41 ff. Und: Braun auer Heimatkunde, Heft 17, Braunau 1922, S. 7f.). Er geht von dem Gedanken aus, daß Bildung nie Massenbesitz werden könne, weil Bildung ,,sich nicht verschenken, verleihen, in den Schoß wer fen läßt", sondern erworben werden müsse. Eine günstige wirtschaftliche Lage hebe nicht notge drungen die allgemeine Bildungsbereitschaft. Vielmehr seien es gerade Bevölkerungskreise mit niedrigen Einkommen, die der Weiterbildung be sonders aufgeschlossen gegenüberstünden. Kriechbaum setzt sich mit den damals verbreite ten Arten der Volksbildung auseinander: der ei nen bislang geübten, die Bildung als eine Summe von Wissen betrachtet - und der anderen, die das Hauptgewicht auf Gefühls- und Gemütsbildung legt. Die erste Richtimg erblickt ihre Hauptaufgabe darin, dem ,,einfachen Mann" möglichst viel vom Wissen des Hochgebildeten beizubringen, freilich nur in einem dürftigen Auszug. Man denke dabei etwa an die sogenannten ,,Volks tümlichen" Universitätsvorträge.,,Solche Volks bildung vergönnt dem schlichten Volke die Bro samen, welche vom reichen Tische der vermeint lich oder wirklich Gebildeten abfallen." ^'Parolen wie ,,Wissen ist Macht!", ,,Bildung macht frei!" wurden in Umlauf gesetzt. ,,lhr getreuer Helfer war der Verstand, ihr Wunschbild das lebende Handbuch des Wissens, ihr Bekenntnis ein nai ver Fortschrittsglaube, ihr Beweggrund das Stre ben der bisher gesellschaftlich benachteiligten Schichten nach Aufstieg und Gleichberechti gung, "i® So urteilt Hans Commenda über diese Art von Volksbildungsbestrebungen. Die zweite, neuere Richtung der Volksbildung will zunächst den Menschen Lebenshilfe in der trostlosen Lage nach dem Weltkrieg bringen. Ei nen Weg zur Schaffung des für den Neuaufbau als notwendig erkannten Gemeinschaftsbewußt seins sieht man im Gemeinschaftserlebnis. Der beste Helfer dazu ist das Gemüt, das Wunschbild der in seiner Umwelt glückliche Mensch. Lied, Tanz, Musik und SpieP® treten als Bildungsmittel zu Tagespresse und Vortragswesen. Auch diese - Vgl. dazu: Gärtner, Wilhelm: Auf dem Wege zur neuen Volksbildung. In: Volksbildung, VII. Jg., Wien 1927, S. 220 ff. - In der angeführten Arbeit nennt der Autor als eine der großen Vorarbeiten zu einer ,,neuen" Volksbildimg die psychologisch- soziologisch fundierte Kenntnis des Volkes. Wilhelm Gärtner unterrichtete u. a. 1909-1916 als Germanist und Altphilologe am traditions reichen Rieder Gymnasium und gehörte zum Kreis der jungen Innviertier Heimatbewegung. Gärtner und Kriechbaum standen sich fachlich und persönlich nahe. Eine sehr kritische Schilderung dieser Zustände findet sich bei: Geramb, Viktor: Über die Möglichkeiten der Volkshochschule in Österreich. - Vortrag, gehalten am 26. September 1920 auf der deutsch-österreichischen Volksbildungstagung in Braunau am Inn, zu deren Zu standekommen E. Kriechbaum maßgeblich beigetragen hatte. Veröffentlicht in: Geramb, Viktor: Von ländlicher Volksbildungsarbeit (= Führer für Volksbildner, Heft 1). Hrsg.: österr. Volksbildimgsamt, Wien 1922, S. 27ff. - Vgl. auch die Beiträge von Emst Wenisch auf S. 90 und von Martha Khil auf S. 99 f. in diesem Heft. " Commenda, Hans: Erinnenmgen eines Linzer Volksbild ners (= Schriftenreihe des Oberösterreichischen Volks bildungwerkes, Bd. 10). Hrsg.: Aldemar Schiffkorn. Linz: Oberösterreichischer Landesverlag 1961, S. 45. Gemeint ist die,,erste" Richtung der Volksbildung (Anm. d. Verf.). " Wie Anm. 17. Erinnert sei an die wiederauflebenden intensiven Bestre bungen zu Sammlung, Erforschung und Pflege von Volkslied und Volkstanz.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2