OÖ. Heimatblätter 1981, 35. Jahrgang, Heft 1/2

Sehr geehrter Herr Landesstatthalter! Ihrem Auftrag folgend berichte ich: Mittwoch V2 8 erschien ein SA-Mann in meinem Amte Mozartstraße 47, stellte mich (in) Art Schutzhaft und teilte mir mit, ich müsse um V2IO Uhr die Gelder des Jungvolkes abführen. Meine Feststellung, daß ich mit dem Jungvolk nichts zu tun habe, gab er telefonisch weiter. Darauf erschienen zwei SS oder SA-Männer, erklärten mir, es gäbe kein Amt und kein Unterrichts ministerium mehr, und führten mich ins Rathaus. Dort wurde ich nach den Dbernahmsformalitäten in Zelle 19 gesperrt, wo sich Dr. Z., ein Schutzkorpsmann und noch ein Häftling befanden. Um V2IO Uhr wurde ich ohne Hut und Kragen im,,Grünen Heinrich" zur Poli zeidirektion gebracht und Dr. P., sodann dem Vertre ter des gerade abwesenden Dr. F. vorgeführt. Beide erklärten sich für nicht zuständig. Der zweite Herr verwies meine Wächter auf das Kommando hn „Schiff". Dorthin wurde ich nun durch die gaffenden Zuschauer zu Fuß geführt. Auch dort befand sich niemand Zu ständiger, imd so wurde ich in meinem Aufzug zu Fuß ins Gefängnis zurückgeführt. Dort erschienen nach ei niger Zeit SA-Männer, machten zuerst den beiden Mitgefangenen auf sie bezügliche Vorwürfe, dann wandten sie sich an Dr. Z. und mich, der Wortführer sagte uns: ,,Ihr seid noch schlechter als die anderen, ihr Schweinehunde, die ihr 500 S im Monat habt!" Es wurde von uns nichts erwidert. Gegen Uhr brachte mich Ing. Sch. und Herr S. im Auto in meine Kanzlei. Dort kontrollierte Ing. Sch. die selbstverständlich nicht übergabsfertige Verrechnung des ,,Neuen Le bens" . . . Ich erklärte, die Schlußabrechnung, die mit einem per sönlichen Guthaben von mir endet, nachmittag fertig stellen zu können (im Augenblick war ich zu ruhigem Schreiben und Rechnen nach dem Haftvormittag zu aufgeregt). Es wurde mir mitgeteilt, dazu bekäme ich Gelegenheit, augenblicklich sei nicht Zeit. Der Verlag des Amtes des Volksbildungsreferenten ist bis 31. Dez. 1937 auch durch die Rechnungsabteilung der Landes regierung bereits richtig befunden ... Es wurde mir erklärt, daß ich auch zu dieser Schlußabrechnung Ge legenheit bekäme. Sodann wurde ich um Amt und Inventar befragt. Mein Amt ist nun mit keiner gewöhnlichen Kanzlei zu ver gleichen: seit ich 1920 VolksbUdungsreferent wurde, habe ich meine Kraft der Volkstumspflege und Volks kunde gewidmet. Da dem Amt immer die nötigen Mit tel und Befehle fehlten, habe ich Möbelstücke, eigene Bücherbestände und meine heimatkundliche Zeit schriftensammlung ins Amt genommen, auch Sachen des Oberösterreichischen Heimatvereines, der unter meiner Leitung Volkstracht xmd Volkstanz erforscht und pflegt, und an der Erhaltung von Krmstdenkmälem mitwirkt, sind im Amt und ebenso das Material des,,Deutschen Volkskundeatlas", dessen Landesleiter ich seit Anbeginn bin, femer das ganze Material meiner ,,Heimatgaue" und meiner eigenen volkskundlichen Forschung seit 20 Jahren. Seit zwei Jahren kamen auch die allerdings nicht zahlreichen Sachen des ,,Neuen Lebens" dazu. Die mich verhörenden Herren gaben zu, daß ein Auseinanderscheiden Zeit erfordere imd versi cherten mich, daß ich mein persönliches Eigentum herausbekäme, sobald es möglich sei. Es wurden mir die Amtsschlüssel abgenommen, ebenso meiner Kanzleikraft, imd mir angekündigt, daß ich im Amt nun nichts mehr zu suchen habe, meine Pensionierung werde eingeleitet, Herr S. übemahm die ganze Sache. Zur Abschließung meiner Rechnun gen und zum Abholen meiner Sachen würde ich ver ständigt. Am Nachmittag wurde ich dann enthaftet. Mittwoch verlangte Herr S. telefonisch, ich soll mein persönliches Eigentum noch am Nachmittag wegbrin gen, ich besorgte einen Fuhrmann und begab mich ins Amt; dort mußte ich Herrn S. und Professor Dr. B. die Besitzverhältnisse erklären, ein SA-Mann aber verbot das Wegbringen. Es wurde mir mitgeteilt, daß mir die Leitung des Heimatvereines und auch des Atlas der deutschen Volkskunde abgenommen und Professor Dr. B. übertragen sei. Dieser war auch schon gestern wegen der näheren Durchführung bei mir, er teilte mir auch mit, daß ich das eben in Druck gehende Heimat gauheft noch als Schlußheft herausgeben darf. Soweit der Tatbestand. In meiner Arbeit für das,,Neue Leben" habe ich immer nur eine Ergänzung zu meiner sonstigen Arbeit für Volkstumspflege und Freizeitgestaltung gesehen. Wenn das nicht überwältigend umfangreiche Material, das doch in keiner Weise irgendwie volksgefährlich sein kann, da es ja sehr der Volkstumsbejahung diente, nicht in den Räumen des Volksbüdungsreferenten verwahrt bleiben darf, wäre es leicht wegzuschaffen. Mit dem Volksbildungsreferat und der angeschlosse nen Lichtbildstelle des Unterrichtsministeriums hängt das ,,Neue Leben" in keiner Weise zusammen. Wenn auch mein Amt liquidiert wird und ich in Pen sion geschickt werden soll, so hätte ich mir die eine Genugtuung erwartet, daß ich die Liquidierung des Amtes selber durchführen darf, das ich unter Aufopfe rung meines Privatlebens in der Arbeit langer Jahre nur in dem Gedanken aufgebaut habe, meinem Volk zu dienen. Und ich bin ja in diesem eigenen Material der einzige Sachkundige. So wurde ich aber als Häftling wie ein pflichtvergesse ner Beamter in meine Kanzlei geführt und dann da vongejagt. Auch mein persönliches Eigentum in der Kanzlei ist unter Sperre, ohne daß doch von irgend welchem politischen Einschlag die Rede sein kann, nicht einmal an meinem mir zugestandenen letzten Heimatgauheft kann ich arbeiten, weil eben das Mate rial in der Kanzlei liegt, meine persönlichen beiden No tizbücher über meine Arbeiten wurden mir abgenom men, meine auf dem Konto des ,,Neuen Lebens" noch erliegenden eigenen Forderungen sind gesperrt, und ebenso das Amtskonto, so daß ich die Gehaltsrate März II., die darauf von der Landesregierung einge zahlt wurde, nicht beheben kann. Durch die plötzliche Sperre, sind auch dritte Personen geschädigt, die ein Guthaben von der Arbeit in der Kanzlei haben.

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