OÖ. Heimatblätter 1981, 35. Jahrgang, Heft 1/2

de, der sie dienten, wurde als Wissenschaft nur zögernd anerkannt, hatte keinen Lehrstuhl an den Hochschulen. Das Ringen um Wissenschaft lichkeit kennzeichnet Depinys Arbeit, der ja als Universitätslehrer wirken wollte, was widrige Umstände verhinderten. Was ist Inhalt der Volkskunde? Das eigene Volk zunächst (und bei der Begriffsbestimmung von Volk beginnt die Schwierigkeit) mit allen seinen Lebensbedingungen und Lebensäußerungen, Landschaft, Siedlungsweise, Hausform usw. bis zum Menschen in seiner körperlichen, gesell schaftlichen und seelischen Bedingtheit. Das Bauerntum als Grundschicht wurde zuerst er forscht, weil sich aus ihm die anderen Schichten herauslösten, und sich im Bauerntum von altersher Sitte und Brauch entwickelten und in der Hof- und Dorfgemeinschaft am längsten festge halten wurden. Bald traten auch andere Gemein schaften in den Kreis der Betrachtung, als man erkannte, daß auch die Stadt ihre Gemeinschaf ten, Bräuche und typischen Verhaltensweisen entwickelt, soziologischen Gesetzen folgt - die Stadtvolkskunde erstand. Nun stehen wir mitten in der technologischen Entwicklung mit ihren ungeheuren Möglichkeiten, die auch das Bild der Volkskunde wandelt, vor allem durch den Ver lust jahrhundertelang erwachsener Gemein schaftsformen. Um 1920 war Oberösterreich noch Bauernland (75 Prozent bäuerliche Bevölkerung, heute etwa 8 Prozent). Die Industrialisierung führte zur Landflucht, aber die Menschen blieben dem freien Land noch verbunden, nahmen vieles von Brauchtum und Sitte mit in die Stadt. Auch der Industriearbeiter blieb noch bodenständig, diese Bindung ging nicht ganz verloren, trat aber bei den Abgewanderten doch immer mehr zu rück. Das Land wurde entvölkert, der Bauernhof, einst organische Arbeits- und Lebensgemein schaft mit gewachsener fester Ordnung, dessen Gesinde zum Hof gehörte, oft ein Leben lang, verlor diese Bindung. Man mußte Menschen durch Maschinen ersetzen, das Pferd, einst Stolz des Bauern, durch den Traktor; den Taktschlag der Drescher, den man damals am Stadtrand vor den großen Höfen noch hören konnte, ließ die Dreschmaschine verstummen, der Mähdrescher die Sensen und Sicheln verrosten. Die hochent wickelten Bauformen der Höfe verloren ihre Funktion. Und das vielfache Brauchtum, das die Arbeit des Jahres begleitete, erstarb. Vieles, was in den Heimatgauen als lebendes Brauchtum aufscheint, ist Geschichte geworden, vieles ver gessen. So ist die Zeitschrift für den Forscher heute zu einer wesentlichen geschichtlichen Quelle geworden, gleichwohl aber nicht veraltet, weil in ihr auch so vieles angeregt wurde, was nach dem Zweiten Weltkrieg aufgenommen und weitergeführt wurde. Vor allem das Landesinsti tut für Volksbildung und Heimatpflege, das ja auch die ,,OÖ. Heimatblätter" betreut, arbeitet vorbildlich an den Aufgaben der Heimatkunde in Arbeitsgemeinschaften, die das ganze Land um fassen und in regem Gedankenaustausch stehen, der die praktische Arbeit begleitet und befruch tet; die Goldhaubengruppen haben eine unge meine Ausdehnung erfahren im Gleichschritt mit der Trachtenerneuerung - alles Erscheinungen, die zu neuer Gemeinschaftsbildung beitragen können, ebenso wie die Wiederaufnahme lebens fähigen Brauchtums in Stadt und Land. Mensch liche Gemeinschaft ist es aber, die unserer Zeit der Massen am nötigsten ist. Mit ihr und nur mit ihr kann die viel beklagte Gefühlskälte überwun den werden. Wege müssen gefunden werden, neue Arbeits- und Lebensformen mit neuem Geist zu erfüllen und ihnen lebendigen Sinn zu geben, woUen wir nicht im Materialismus erstikken und in Kälte und Sinnlosigkeit untergehen. Auch in diesem Belang ist manches im Werden. Depiny freilich blieb lange vergessen, übersehen, so im Biographischen Lexikon der Akademie der Wissenschaften, obwohl er 18 Jahre lang das Bundesstaatliche Volksbildungsreferat für Ober österreich leitete und ebenso lang eine führende heimatkundliche wissenschaftliche Zeitschrift herausgab, von der Karl Giannoni, Konsulent für Heimatkunde am Unterrichtsministerium, 1920 zu Depiny äußerte: ,,Sie haben uns (mit den Heimatgauen) etwas geschenkt und in Ober österreich wahr gemacht, von dem wir nicht ein mal zu träumen wagten!"^® Doch die Arbeitsleistung war so umfassend, daß sie langes Übersehenwerden aushielt. Eine neue Generation erkennt die Bedeutung dieses Wir kens wieder an als Pionierleistung für die heimatund volkskundliche Forschung in Oberöster reich, die vorbildlich ist und bleibt. Hans Commenda nennt Adalbert Depiny in sei nem Nachruf" mit Recht den ,,Gründer und Meister der wissenschaftlichen Heimat- und Volkskunde von Oberösterreich". In einer Tagebuchnotiz Depinys. Commenda, Hans, Adalbert Depiny f. Jahrbuch des Oö. Musealvereines, 92 (1947), S. 152-157.

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