OÖ. Heimatblätter 1980, 34. Jahrgang, Heft 3/4

Der Sierninger Rudenkirtag Von Helmut Grassner Am Faschingsdiensta roast an iads, Was nu a wengal kann, Auf Sierng, und schaut söh nachad dort On Rudnkirta an. Da kemman ausn Gai rundum Dö Rudn allö zsamm! Du mögst gern wissn, was dös is? Du kennst'n nöt, den Nam? Dös is so a Vereinigung Vo junge Leut in Tal, Dö 's Brauchtum pflögn mit Tanz und Gsang, Is oft a großö Zahl. Da Faschingsdiensta is eahn Tag, Da wimmölts grad in Sierng, Oan Rud tritt na da andern auf, 's is sehen, ma müaßat lüagnl Alls singt und spielt und tanzt wia nua. Und dö's am bössan kann, Dö kriagt an Preis, ma trinkt ihr zual Geh hin, und schau da 's anU Eigentlich drückt der Mundartdichter Franz Xa ver Blasl mit viel Begeisterung und volkstümli chen Worten das Wesen des Sierninger Ruden kirtag sicher aus. Er versucht, das Stimmungsbild des ,,Rudnkirtas", wie er landauf und landab ge nannt wird, zu malen, den Ausdruck Rüden zu erklären und den Tanz und den Gesang als eine Art Sängerwettstreit hinzustellen, was aber für heute sicherlich nicht mehr zutrifft. Das Ziel dieses Aufsätzchens soll es sein, ein we nig in der erstaunlich langen Geschichte des Kirtags zu graben und anhand der Landlerlieder, der G'stanzln, Beispiele für Absicht und Abwicklung dieser brauchtümlichen Veranstaltung, die jedes Jahr am Faschingsdienstag in Sierning bei Steyr über die Bühne bzw. über die Bühnen geht, zu geben. Landlerlied in der Form des Achtzeilers, welches den Rudentanz und den Kirtag in die Gruppe der Rüge- und Volksgerichtsbräuche reiht, und schließlich der „Standlkirta", der-im modernen Geschäftsleben fast anachrorüstisch anmutend - höchst erfolgreich am Faschingsdienstag die Straßen Siernings prägt. Unsere Heimat ist reich an altem Faschings brauchtum, sicher nicht mehr in dieser Vielfalt wie in früherer Zeit, aber unsere Faschingsveran staltungen können sich sehr wohl sehen lassen und halten jeden Vergleich mit den zu Mode ge wordenen ,,Karnevalssitzungen" aus. Immer wieder, wenn auch nicht überall, findet man bei Faschingsbräuchen eine Art Volksgericht, ein an sich harmloses ,,Haberfeldtreiben"3, ein Rügege richt, bei dem hinter der Maske des Faschings narren Mitmenschen, denen etwas,,passiert" ist, noch mit einer Portion Spott Übergossen werden. Beim Sierninger Rudenkirtag bedarf es selbstre dend keiner Masken! Daneben findet sich das Rügebrauchtum auch in,,stummer" Form bei Fa schingsumzügen, wie sie allenthalben noch ver anstaltet werden"*. Eine Verbindung zwischen beredtem und stummem Rügebrauchtum ist beim Schimmelreiten von Dellach in Kärnten festzustellen, wo ,,selbsterfundene Sprüche . . . jeweils dem Ortsgeschehen oder sonstigen Er eignissen entnommen"® sind. Wenn in Vorarlberg am Funkensonntag, dem er sten Fastensonntag, die ,,Funken" (kunstvolle Scheiterhaufen mit der ,,Funkenhex" an der Spitze) abgebrannt werden, so schart sich das Volk um den Wagen und „lauscht dem scherz haften Rügegericht des Funkenkanzlers, der lo kale Ereignisse launig kommentiert"®. Beim angeschlossenen ,,Scheibenschlagen" gibt es im nahen Allgäu sogenannte Schimpfschei ben, bei denen in der Art eines Rügegerichtes auf mißliebige Personen und ungestrafte Vergehen Mit Recht ist der Sierninger Rudenkirtag im Kommentar zur 5. Lieferung des österreichi schen Volkskundeatlasses unter die Sonderfor men des Faschingsbrauchtums in Österreich ge reiht^, weil sich in ihm einige sonst durchaus selbständige Elemente finden lassen: Da ist ein mal der würdige, behäbige und vielleicht etwas geheimnisvolle Traunviertler Landler, dann das ' Steyrer Kalender 1969, S. 43. ^ Franz Grieshofer: Faschingsbrauchtum; österr. Volkskun deatlas (ÖVA), 5. Liefg. (1974), Blatt 90. ' Richard und Klaus Beitl: Wörterbuch der deutschen Volks kunde, 3. Aufl., Stuttgart 1974, S. 313. " ÖVA, Kommentar zu Blatt 90, S. 49. 5 Ebenda, S. 35. ' Vorarlberg - Kunst und Kultur; Ausstellungskatalog 1978, S. 90.

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