OÖ. Heimatblätter 1980, 34. Jahrgang, Heft 3/4

den Räten vorsprechen, wenn man ein solches Blatt übergab und das Geschenk dafür in Emp fang nahm. Die Anerkennung seiner künstleri schen Leistung durch den Rat der Stadt Witten berg kommt nicht nur durch die für die damalige Zeit gute Bezahlung von acht Talern zum Aus druck, sondern nicht zuletzt auch dadurch, daß der Rat nicht wie in manch anderen Fällen das Pergament einfach im Aktenschrank sicher auf bewahrte, sondern nach einigen Monaten in ei nen besonders dafür angefertigten Holzrahmen verglasen und an sichtbarer Stelle im Ratszimmer aufhängen ließ. Die Frage, wie der Süddeutsche nun in die nörd lichen Gebiete des Reiches kam und welchen Weg er genommen hatte, wird vermutlich nie mals zu beantworten sein. Fs sei denn, man fin det noch einige dieser Kalender und könnte so der Wahrscheinlichkeit näher kommen. Eine Tat sache kann uns aber doch auf die Sprünge helfen. Wie bekannt, ist die Familie Füchler ja nicht nur künstlerisch veranlagt gewesen, sondern hatte auch einen handfesten Beruf. Sie waren nicht nur Mikrographen, sondern waren auch Bader und Wundärzte (Chirurgen). Auch aus der Nach kommenschaft Johann Püchlers gingen Angehö rige dieser Berufsgruppe hervor. Natürlich waren die Familien dieser Wundärzte seßhaft, doch bei der geringen Einwohnerzahl der spätmittelalterlichen Städte war es kaum möglich, das Existenzminimum zu halten. Des halb reisten die Bader, Steinschneider, „Occulisten" oder wie sich ihre Tätigkeit noch nannte im Lande umher. Da die guten und schlechten Mit glieder dieser Berufe schwer zu unterscheiden waren, galten sie oft als unehrenhaft. Hinzu kam, daß sie aus Werbungsgründen einen umfangrei chen Troß von Gauklern, Bänkelsängern, Akro baten usw. um sich versammelten, um das Volk auf sich aufmerksam zu machen. So zog auch der bekannte Dr. Fisenbarth durch Wittenberg, und so oder ähnlich müssen wir uns das Erscheinen schließlich auch des Wundarztes und Chirurgen Johann Püchler in der Universitätstadt Witten berg vorstellen. Mit Privilegien ausgestattet, tra ten sie den Weg dirrch die Territorien des Reiches an. Um aber den Berufsstand dieser Wundärzte und Chirurgen richtig zu verstehen, muß man wissen, daß sie mittels selbstangefertigter oder vererbter Instrumente hervorragende Fingriffe bei Steinleiden und bei der Behandlung der Star krankheit vornahmen. So führte beispielsweise im Beisein von medizinischen Professoren und Theologen ein Wundarzt und Chirurg den ersten Kaiserschnitt in Wittenberg durch. Bei dieser Ge legenheit hatten die Wundärzte stets mit den Be hörden, meist mit den Räten der Städte zu tun. So ist es zu verstehen, daß sie sich gern dem Bür germeister gegenüber erkenntlich zeigen wollten und in einem solchen Fall hatte vermutlich auch Johann Püchler sein berühmtes Pergament dem Rat übergeben. Weitere Bilder konnten durchaus als Massenware an die staunenden Bürger ver kauft werden, seien es Kaiser-, Königs-, Gelehr ten- oder in protestantischen Landen die Luther bilder, die ihre Abnehmer auf solchen Reisen fanden. Ein Wesenszug Püchlers scheint aber die Liebe zur alten Heimat Linz und zu Österreich gewesen zu sein. Dies geht nicht zuletzt aus dem Witten berger Kalenderblatt hervor, was durch die figür lichen Darstellungen und durch den Hinweis „LINCENSIS AVSTRIACVS" zum Ausdruck kommt, dies hat er übrigens auch bei dem Kalender von Wimpfen so gehandhabt und sicherlich auch bei anderen Blättern. Abschließend möchte ich bemerken, daß auch später das Geschlecht der Künstlerfamüie Püch ler weiterlebte. So wurde der am 12. April 1697 in Brixen (Südtirol) geborene Antonio Püchler (Pichler) ein berühmter Künstler auf dem gemmoglyphischen Gebiet. Fr hatte bei einem Gold schmied 1730 m Neapel das Stempelschneiden erlernt, sich weitergebildet in erster Linie an anti ken Vorbildern und wurde so zum Begründer der neueren gemmoglyphischen Kunst^. ' Lexikon der Kunst, Band III, Leipzig 1975, S. 849f.

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