OÖ. Heimatblätter 1980, 34. Jahrgang, Heft 3/4

der zugleich als Schreiber der Handschrift identi fiziert werden konnte. Der Papier-Codex hat die Maße 32 X 22 cm (Hochformat) und ist in Perga ment gebunden; die hiezu verwendeten Blätter stammen aus einem im 15. Jahrhundert ge schriebenen Missale (= Meßbuch). Auf der Vor derseite sind Teile aus dem Offizium (= kirchli ches Stundengebet) des Festes Praesentationis B. Mariae Virg. (= Darstellung Mariens, 21. No vember) erkennbar; die Rückseite enthält Teile der Messe in Festo Apostoli (= Apostelfest). Die Tabulatur umfaßt 188 Blätter (376 Seiten) mit demselben Wasserzeichen. Die Handschrift zeigt wenig Gebrauchsspuren, eine übersichtliche An lage und die geübte Hand eines einzigen Schrei bers. Die Titel der 179 Stücke sind in ausgezierter Fraktur, der unterlegte Text in Kursiv geschrie ben. Die Notenzeichen laufen in der ganzen Handschrift über beide Seitenbreiten hinweg. Was die Datierung und Lokalisierung der Hand schrift betrifft, so finden sich dort die Jahreszah len 1590, 1591 und 1592; dies läßt jedoch keinen exakten Schluß auf eine Terminisierung der Nie derschrift zu. Die Raumeinteilung, nämlich eine Zeile über zwei Seitenbreiten hinwegzuführen, kam erst im ausgehenden 16. Jahrhundert in Ge brauch^®. Finden sich unter den schon erwähnten 179 Werken als Komponisten berühmte Namen wie Giovanni und Andrea Gabrieli, Orlandus di Lassus, Cyprianus de Rore, Clemens non papa, Jacobus de Kerle, so lassen Kompositionen eini ger Zeitgenossen Pleningers und in Oberöster reich amtierender Kantoren, vor allem des hier kaum bekannten AFra/iamMS Schußlingus (fol. 152, 153, 154, 155, 156, 157, 158, 161, 162), den der Gmundner erst während seiner Organistentätig keit in der Traunseestadt kennengelernt haben muß, eine genaue Datierung insoferne zu, als man annehmen darf, daß die Eintragungen um 1592/93 abgeschlossen waren. Von A. Schußlingus (= Abraham Schüßling), der in den einschlägigen Lexika nicht aufscheint, wissen wir, daß er um 1587 evangelischer Schul meister und Kantor in Vöcklabruck war^®. Wei ters wird berichtet, daß er ,,1587 ermahnt werden mußte, einen besseren Kirchengesang zu verrich ten, die Kinder nicht über Gebühr zu bestrafen, bessere Zucht zu halten und das Umherziehen der Kinder auf der Gasse zu verhindern; außer dem soll er eine bessere Wirtschaft führen, weni ger zechen, der Jugend ein besseres Beispiel in der Arbeit geben und den Inspektoren mehr Ach tung erweisen. Kurze Zeit darnach trat Schüßling ohne Wissen und Billigung des Rats eine Reise an, während der gar keine Schule gehalten wur de. Ende 1588 beschloß der Rat einen letzten Ver such mit ihm zu machen; dann fehlen weitere Nachrichten" 1''. Von den oben erwähnten Kompositionen Abra ham Schüßlings verdienen die Motetten fol. (= folio = Blatt) 161 ,,Salve praelustri" und fol. 162 ,,Dulce tuum nostro quae nova quae nova provehitur" besondere Beachtung, da sie mit Dedikationen (= Widmungen) versehen sind, die sich auf Gmundner Persönlichkeiten und Institutio nen der Stadt beziehen. Diese Widmungen seien im lateinischen Original mit deutscher Uberset zung wiedergegeben: fol. 161: ,,1590 - Symphonia Panegyrica in gratiam et honorem amplissimorum et prudentissimorum Virorum, ac Dominorum. D: Judicis, totiusque inclyti, laudatissimae Urbis Gemundae, senatus, observantiae ergo quinque vocibus applicata, iisdemque dedicando oblata: ab Abrahamo Schußlingo, Gymnaste Vocklapontensi quondam." fol. 161: ,,1590 - Festliche Symphonie als Dank und zur Ehre der erhabensten und weisesten Männer und Herrn, des Stadtrichters und des ganzen berühmten Stadtrates der hochgerühm ten Stadt Gmunden; aus Ergebenheit komponiert in 5 Stimmen und den ebengenannten Herrn gewidmet von Abraham Schüßling, ehemals Schulmeister in Vöcklabruck." (D = dedicatio; Widmung) fol. 162: ,,Symphonia. In natalem Reverendi et darissimi Viri, Domini Urbani ENGELSTORFFER", Fr. Blume, Die Handschrift T 131 der New York Public Li brary; in: Festschrift K. G. FeUerer, Regensburg 1962. " K. Sc/iimiTc; Die EvangelischeGemeinde A. C. Vöcklabruck von der Reformationszeit bis auf die Gegenwart, Vöckla bruck 1895, S. 12. " J. Stütz: Zur Geschichte der Pfarre und der Stadt Vöckla bruck; in: 17. lahresbericht des Museums Francisco-Carolinum, Linz 1857, S. 76. U. Engelstorffer war der letzte in der Reihe der sich offen zum Protestantismus bekennenden Gmundner Stadtpfar rer; als solcher wird er erstmals am 1. 5. 1586 erwähnt. Er

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