Festmahlen legten die Anwesenden Gelübde zur Erfüllung heldischer Taten ab, hier war man si cher, die Gunst der Götter zur rechten Stunde er ringen zu können. In allen Sagas und Berichten aus der Zeit, als die Götter der Germanen noch „lebten", findet sich kaum ein abwertendes Wort über das Schwein. Es gibt Darstellungen von Kriegern, deren Helme als Zier die wirklichkeitstreuen Bilder von Ebern trugen. Das Schwein galt als hochgeschätztes und wirkungsvolles Opfertier, der Eber als Sinn bild von Angriffslust und Tapferkeit. Dieses Bild erhält sich in vielen mythologischen Steinplasti ken romanischer Kirchen bis weit ins christliche Mittelalter^^. Aus eiszeitlichen Spuren können wir nur Vermu tungen anstellen, ob das Sauschädelstehlen seine Wurzeln in alten kultischen Bräuchen hat. Die germanischen Tieropfer- und Fruchtbarkeitsriten zeigen deutliche Merkmale, die wir im heutigen Brauch wiederfinden; das gemeinsame Essen und Trinken bei einem Schlachttier, dem Schwein, damals bestimmt für einen Fruchtbar keitsgott. Das wertvolle und selbst so fruchtbare Tier wird geopfert, um verstärkt den göttlichen Segen für größere Fruchtbarkeit zu erlangen. Im Zeitalter der Christianisierung verfolgte die Kir che die ,,heidnischen Bräuche" mit Drohungen von Hölle und Verdammnis. Aber Gewalt allein half nicht. So wurden z. B. JuLfest und Christige burt zeitlich einander angenähert und die damit verbundenen Bräuche verschmolzen. Das Schwein wurde, nicht zuletzt durch den Einfluß der jüdischen Religion, zumindest zeitweise zum Sinnbild des Teufels und der Unreinheit. Schlußbemerkungen Erst nach der ersten Niederschrift dieses Manu skriptes, dessen wesentliche Teile im Jahre 1977 verfaßt wurden, erschien der Kommentar von Ernst Burgstaller zur Karte von R. Wolfram im österreichischen Volkskundeatlas®®. Als Ar beitsgrundlage diente Burgstaller das umfangrei che Material, das von Gewährspersonen aus ganz Österreich zur Frage nach dem ,,Saukopfstehlen" eingesandt wurde. Daher findet sich in seiner Arbeit eine FüUe von Einzelheiten, besonders aus den Gebieten von Kärnten, Burgenland und der Steiermark. Auch Burgstaller stellt die Frage nach dem Ursprung des Brauches und kommt zu dem Schluß, daß er in seinen Wurzeln in vorchristliche Zeiten zu rückreichen kann. Schlüssel für diese Erklärung sind ihm die Worte ,,festLich" und ,,feierlich" in Verbindung mit dem gemeinsamen Mahl. Von dort aus kommt er logisch zur Bedeutung des Ebers bei den Germanen. Er geht in der Deutung noch weiter zum „Ritual des weidgerechten Ja gens" sowie zu Bären-(= Eber-)Schädeldarstellungen steinzeitlicher Höhlenmalereien in der Salzofenhöhle von Aussee. Aus Burgstallers Schlußbetrachtung wollen wir auszugsweise ei nen Satz wiedergeben, der den Kern des unter suchten Brauches trifft: Der gestohlene Saukopf steht „als Träger gewisser Heils- und Segens kräfte mit volkstümlichen Glaubensvorstellun gen in unmittelbarer Verbindung"®^. Diejenigen Bräuche, die nicht christlich umge deutet werden konnten, verschwanden entwe der oder lebten im „Aberglauben" fort und gin gen, wie wir heute sagen würden, in den ,,Un tergrund". Vieles spricht dafür, daß der Hinweis von Leo pold Schmidt auf den Juleber die richtige Ant wort auf die Frage nach dem Ursprung des Saukopfstehlens ist. Unser heidnisch-fröhlicher Brauch überlebte die Jahrhunderte, ohne einen kirchlichen Feiertag als Verkleidung zu benötigen oder mit einem christlichen Fest zu verschmel zen. Hoffen wir, daß das Saukopfstehlen auch in Zukunft lebendiger Brauch bleibt. Danksagung Diese Arbeit hätte nicht ohne die freundliche und bereitwil lige Hilfe vieler Befragter geschrieben werden können. Ihnen allen sei hiermit Dank für Auskunft und Rat gesagt. Professor Helmut Prasch, Spittal an der Drau, verdanke ich aufschlußreiche Informationen über die Brauchübung in Kärnten sowie die Nachdruckgenehmigung der Zeichnung aus seinem Buch,,Bäuerliche Volkskunde Kärntens". Für die die Genehmigung zur Wiedergabe des Kärtchens über das Stehlbrauchtum beim winterlichen Schweineschlachten ist dem Vorstand der Gesellschaft für den Volkskundeatlas in Österreich zu danken. Wie Anm. 14, diverse Abb. Vgl. Anm. 2; erschienen Anfang 1980. " Wie Anm. 4. S. 69.
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