läßt. Es ist zu bedauern, daß Fochler seinen Ge danken vom ,,Griff der Toten" nach den Leben digen^" nicht weiter ausgeführt hat. Wir folgen also der Anregung von Leopold Schmidt und un tersuchen, ob der Juleber als Götter- und Opfer tier Lösungsansätze bietet. Grundsätzliches hat R. Wolfram in seiner Arbeit „Prinzipien und Probleme der Brauchtumsforschung"3i gesagt: ,,Volkskundlich ist beim Brauchtum noch eine Tiefendimension von be sonderer Bedeutung. Denn es ist nicht lediglich zwischenmenschliches Verhalten profaner Art. Das Brauchtum ist sehr wesentlich eingebunden in Glaube und Kult, ja deren Ausfluß. Einer der Gründe dafür, daß es seine Wurzeln zu einem bedeutenden und entscheidenden Teil tief ins menschliche Sein und infolgedessen auch in die Vergangenheit hinabsenkt." Opfer- und Göttertiere der Germanen Tierkult und Fruchtbarkeitszauber gab es bereits in der Eiszeit, Spuren von Tierschädelverehrun gen, Brauchtum für bestimmte Lebensabschnitte vor Zehntausenden von Jahren, wie wir es heute noch bei Eingeborenen Afrikas und der Südsee sehen und von dem viele Spuren in unseren heu tigen Sitten und Religionen vorhanden sind. Kann es möglich sein, daß sich uralte Vorstellun gen aus der Frühzeit der Menschheit heute noch im geselligen Brauch des Saukopfstehlens fin den? Bei dem Versuch, das Entstehungsalter des Saukopfstehlbrauches einzukreisen, kann die My thologie helfen. Der germanische Juleber steht in enger Verbindung zum germanischen Frucht barkeitsgott Freyr^^. Freyr bedeutet Herr oder Fürst. Man verehrte in ihm einen mächtigen Gott, dessen Wohlwollen und Hilfe unentbehr lich war. Er stammt aus dem Geschlecht der Wanen, die als Fruchtbarkeitsgötter neben den Asen das Gottdenken der Germanen beherrschten. Freyr wurde vorwiegend in der Julzeit, das ent spricht unserer Weihnachtszeit, verehrt. Als Be gleit- und Reittier diente ihm das Schwein GuUiborsti = Goldborste. Es lief schneller und aus dauernder als ein Pferd, denn es konnte Tag und Nacht auf den Beinen bleiben. Es war mit seiner Ausdauer und den goldenen Borsten ein Symbol der allmächtigen Sonne! Geopfert wurde Freyr der,,Heilige Eber". Dieses Tier galt als so bedeutsam, daß die Germanen beim Ablegen eines Gelübdes auf seine Borsten schwören und dabei die Hand auf seinen Rücken legen mußten^^. Freyrs Schwester Freyja, mit der er übrigens ver heiratet war, besaß ein Reitschwein, Hildiswin genannt, der,,Kampfeber". Freyja wird auch als Gattin Odins-Wotans genannt, in anderen Be richten ist sie mit einem Gott Od verheiratet. Sie verkörperte die Fruchtbarkeit und die Suche nach LiebeserfüUung. Ihr Beiname lautete Syr, ,,die Sau". Ihre Ähnlichkeit mit Venus, der rörrüschen Lie bes- und Fruchtbarkeitsgöttin, ist unverkennbar. Die Verwandtschaft wird deutlicher, wenn wir den Namen des sechsten Tages der Woche, des Freitags, im nord- und südeuropäischen Sprach raum vergleichen. Die Fruchtbarkeitsgöttin Freyja = Frija = Frigga findet ihren Namen noch heute an diesem Tag, dem Freitag wieder, der in England Friday, in den Niederlanden Vrijdag, in Dänemark und Schweden Fredag heißt. Die Rö mer weihten ebenfalls diesen sechsten Wochen tag ihrer Fruchtbarkeitsgöttin, der Venus, ,,dies Veneris", der heute noch in Italien ,,venerdi" und in Frankreich ,,vendredi" heißt. In vorchristlicher Zeit gehörten Tieropfer zum re ligiösen Leben der Germanen^"*. Die Gemein schaft der Bewohner eines Ortes oder einer Land schaft feierten als Kultgemeinde die Opfermahl zeit, um Hilfe und Segen der Götter zu erlangen. Den Fruchtbarkeitsgöttern Freyr und Freyja wurden außer Pferden auch Schweine geopfert. Gemeinsam verspeisten die Teilnehmer der Kul thandlung das Fleisch der geopferten Tiere. Der Kopf blieb den Göttern vorbehalten. Reichhaltig, ja übermäßig mußten Speisen und Getränke beim Opfermahl sein. Das Gelage fe stigte die Freundschaft unter den Gästen und verband sie eng mit den Göttern. Bei diesen 3» Wie Anm. 26, S. 143. Wolfram, Richard: Prinzipien und Probleme der Brauch tumsforschung, Wien 1972, S. 8, Döbler, Hannsferdinand: Die Germanen, Legende und Wirklichkeit, Gütersloh 1975, S. 246, S. 254. 33 Anm. 14, S. 65. Derolez, R. L. M.: Götter und Mythen der Germanen, Ro ermond 1959, S. 149f., 182-229.
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