OÖ. Heimatblätter 1980, 34. Jahrgang, Heft 1/2

faßt. Ein wirklich erstaunliches Ergebnis bei ei nem Brauch, den außer den Beteiligten und eini gen berufsmäßigen Volkskundlern kaum jemand kennt. Als nächstes bemühte ich mich, das Vorhanden sein des Brauches im benachbarten Bayern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland festzu stellen. Wieder benutzte ich den Weg der telefo nischen Kurzbefragung. Das Ergebnis war völlig negativ. Nicht nur, daß der Brauch nirgendwo ausgeübt wurde, niemand kannte ihn oder hatte je davon gehört. Viele der Angerufenen hielten die Frage nach dem Saukopfstehlen für einen dummen Witz. Nur in einigen Grenzorten wuß ten Gastwirte, daß er früher drüben ,,im öster reichischen" üblich war. Ob es den Brauch dort heute noch gibt, konnte niemand beantworten. Die gleichen Antworten erhielt ich von Volks kundlern des Bayerischen Nationalmuseums, des Germanischen Nationalmuseums und von Museen in Ostbayem. Völlig verständlich, denn die Vielzahl alter und neuer, verschwundener und wiederbelebter Volksbräuche macht es auch dem Spezialisten schwer, in allen entlegenen Gebieten seines Faches ohne Benutzung der Lite ratur völlig im Bilde zu sein. Wenn nicht noch überraschende Erkenntnisse auftauchen, muß festgestellt werden, daß die Brauchtumsgrenze nach Westen der politischen Grenze zu Bayern entspricht. Es dürfte sich beim Saukopfstehlen um einen der weitflächig und an vielen Orten ausgeübten Bräuche handeln, die trotz der Stammes- und Brauchtumsgemeinsamkeit zwischen Oberöster reichern, Salzburgern und Bayern die Grenzzie hung respektieren. Heiraten über die Grenze hinweg. Tausende von Pendlern, die ihre Ar beitsstelle jenseits der Grenze haben, lebhafter Reise- und Besuchsverkehr - in unserem Fall scheint die Ausübung des Brauches wie abge schnitten. Eine Erklärung könnte sein, daß der Brauch in Oberösterreich erst nach dem Anschluß des Inn viertels an die österreichische Monarchie, also nach 1779 entstanden oder eingewandert ist. Es bleibt jedoch die Frage nach dem zeitlichen Ur sprung, wenn man vermutet, daß der Brauch aus den östlichen Ländern Österreichs nach Westen gewandert ist. Und weshalb endete die Ausbrei tung an einer rein politischen Grenze, die volkstumsmäßig, sprachlich und kulturell viel durch lässiger als die meisten europäischen Grenzen ist? Über einen oberbayrischen Stehlbrauch, der eine gewisse Verbindung zum Saukopfstehlen bringt, berichtet Simon Aiblinger in seinem Buch ,,vom echten bayerischen Leben"^^. Danach gehört es zu den Dorfunterhaltungen, daß die ,,Metten sau", die zu Weihnachten geschlachtete Sau, ge stohlen wird. Es wird nicht nur der Schädel, son dern die ganze Sau gestohlen, wenn es geht noch lebendig vor dem Schlachten oder beim Ausküh len vom Haken in Tenne oder Waschhaus. Das galt als Volksbrauch, wurde nicht bestraft, son dern war eine „Mordsgaudi". Weiter schreibt Aiblinger, daß es ,,Bauern gegeben haben soU, die sich vorsichtshalber nachts zu ihrer Metten sau ins Stroh gelegt haben". Wer je eine ober bayerische Christmette miterlebte und nach der Heimkehr von der Kirche durch die oft klirrend kalte Weihnachtsnacht die dampfenden Blutund Leberwürste vom frischgeschlachteten Schwein verspeiste, hat Verständnis für diese Bauern. Einen weiteren Stehlbrauch im Zusam menhang mit dem Schweineschlachten be schreibt Helene Grünn^'', wonach die deutsch sprachigen Burschen im Bakonyerwald in Un garn an der Sitte festhielten, aus einem Haus, in dem geschlachtet wurde, ein Stück Schwein zu stehlen. Anschließend wurde es unter allerlei Scherzen wieder zurückerstattet. Alle zur Ergänzung geschilderten Stehlbräuche im Zusammenhang mit dem Schlachten des Schweines lassen vermissen, daß der Brauch den Kopf betrifft und, ganz wesentlich, daß der ge stohlene Körperteil in einer Gemeinschaft ver zehrt wird. Selbst wenn die aus Oberbayem und dem Bakonyerwald geschilderten Bräuche eine gemeinsame Wurzel haben sollten, müssen wir sie hier unberücksichtigt lassen, weil wesentliche Bestandteile des österreichischen Brauches feh len oder verschwunden sind. " Aiblinger, Simon: Vom echten Bayrischen Leben. BräucheFeste - Zeitvertreib, München 1976. S. 36. Grünn, Helene: Volkskunde der heimatvertriebenen Deut schen im Raum von Linz, Linz 1968.

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