Österreich^® hinzu, decken die drei zeitlich älte sten, wenn auch ungenauen Hinweise, ein ver hältnismäßig großes Gebiet. Rückschließend kann gefolgert werden, daß das ,, Saukopf steh len" in Oberösterreich bereits im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts bekannt und ein lebendiger Brauch war. Sollten sich nicht noch Belegstellen im Schrifttum finden, scheint eine unübersteigbare Grenze für das zeitliche Zurückverfolgen des Brauches ge geben zu sein. Denn ältere Zeugnisse gibt es für das ,,Saukopfstehlen" nicht. Außer dem Messer des Diebes werden keinerlei Geräte oder Klei dungsstücke benötigt, die bei der zeitlichen Festlegimg helfen können. Benötigt werden Witz und List und gute Nach barschaft und die Freude an diesem Brauch, nichts weiter. Es ist ein Volksbrauch im besten Sinne des Wortes, lebendig im Kreise einer länd lichen Gemeinschaft. Deswegen benötigt das Saukopfstehlen bis heute keinen ,,Erhaltungs verein" und keine,,Traditionsgemeinschaft", die manchen anderen Brauch künstlich wiederer wecken oder am Leben erhalten. In diesem Sinn kann man vermuten, daß die Unmöglichkeit, das Entstehen des Brauches belegbar festzustellen, für ein hohes Alter spricht. Damit deckt sich auch die bei den Befragungen immer wieder zu hörende Antwort: ,,Des hat's scho immer gebn." Es war deutlich erkennbar, daß den meisten Befragten erstmals bei der Fra gestellung zum Bewußtsein kam, daß das Sau kopfstehlen einen Ursprung haben muß. Geographische Verbreitung Gespräche mit Menschen aus dem bäuerlichen Lebensbereich, den Brauchträgern, ergaben er staunlicherweise ausschließlich, daß das Sau kopfstehlen nur in der nächsten Nachbarschaft üblich sei. Wie bereits geschildert, zeugte eine te lefonische Kurzbefragung, die das Gebiet von Oberösterreich weitgehend abdeckte, die Ver breitung im gesamten Bundesland, allerdings nur im ländlichen Bereich. In der Hauptstadt Linz war der Brauch unbekannt, obwohl dort als be sonders glückbringendes Neujahrsgericht auch heute noch in Gaststätten ,,Saukopf"i® serviert wird. Ein kleiner Hinweis fand sich im ,,Taschenwör terbuch der Volkskunde Österreich" von Haberlandt^® unter dem Stichwort ,,Sauschädelstehlen". Das Suchen ging „im Wörterbuch der deutschen Volkskunde"^^ weiter. Hier fand ich die einzige, aber umso wertvollere Quelle. Im ,,österreichi schen Volkskundeatlas" tauchte der Hinweis „Burschenschaftsbrauchtum - das Stehlen"^^ auf. R. Wolfram hat aufgrund einer Erhebung in den Jahren 1955/56 das Stehlbrauchtum beim winterlichen Schweineschlachten untersucht. In einer Karte von Österreich wurden alle örte mit einem Kennzeichen markiert, in denen das Steh len des Schweinskopfes üblich ist oder war. Der Untertitel erwähnt den Brauch als ,,scherzhaftes Entwenden". Die genaue Frage, die als Grund lage der Erhebung gestellt wurde, lautete: ,,Kommt es vor, daß anläßlich einer Haus schlachtung der Schädel des geschlachteten Tie res von den Nachbarn oder den Mitgliedern einer Burschenschaft ,gestohlen' wird (Saukopfsteh len)? Kommt es vor, daß statt des Schädels auch die Innereien des geschlachteten Tieres gestohlen werden?" Die sorgfältig bearbeitete Karte beantwortet die Frage auf einen Blick. Das Saukopfstehlen ist über ganz Oberösterreich verbreitet. In der östli chen Steiermark und im östlichen Kärnten ist der Brauch genau so häufig. Hinzu kommen die be nachbarten Gebiete der angrenzenden Bundes länder Salzburg, Niederösterreich und Burgen land. Die eigenen Ergebnisse spiegeln sich sinn gemäß in der Karte wieder. Vereinfacht dargestellt, war um das Jahr 1955/56 das Saukopfstehlen in einem Gebiet üblich, das mehr als sie Hälfte der Fläche von Österreich umVgl. Anm. 7. " Commenda, Hans: Volkskunde der Stadt Linz an der Do nau, 1. Bd., Linz 1958, S. 156-,,In manchen Linzer Gast höfen steht heute noch am Neujahrstag ein hübsch ge schmückter gekochter Sauschädel auf dem Tisch, von dem sich die Gäste ein Stückchen abschneiden und als Glücks bringer verzehren." Haherlandt, Arthur: Taschenwörterbuch der Volkskunde Österreichs - Der andere Teil, Wien 1959, S. 92f. Beitl, Richard und Klaus: Wörterbuch der deutschen Volkskunde, Stichwort ,,Atlanten", 3. Aufl., Stuttgart 1974, S. 40-44. " Vgl. Anm. 2.
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