OÖ. Heimatblätter 1980, 34. Jahrgang, Heft 1/2

leinsdorf eine Sau gestochen werden soll. Ge meinsam fuhren wir hin, damit ich ein paar Fotos vom Ablauf eines bäuerlichen Schlachtens ma chen konnte (siehe Abb. 2). Anreiter griff, wenn nötig, bei der Arbeit zu und machte sachkundige Anmerkungen zum Tun des Metzgers. Als die Sau säuberlich geteilt am Saurehm hing und beide Bauersleute für Augenblicke im Haus verschwanden, verwandelte sich der hilfsbereite Zuschauer Anreiter in Sekundenschnelle in ei nen Saukopfdieb. Ich fotografierte gerade das Metzgerwerkzeug. Durch das unerwartete Ab schneiden des Saukopfes wurde ich so über rascht, daß ich zum entscheidenden Augenblick zu spät auf den Auslöser drückte. So bekam ich nur den blitzschnellen Fluchtstart des Diebes auf den Film (siehe Abb. 3). Wenn der Metzger nicht zum Hof gehört, wird er den Saukopfdieb nie hindern. Oft ist er derjeni ge, der den Hinweis aufs Saustechen gibt und so dem Dieb seine Tat ermöglicht. Hinzu kommt, daß er Gast beim Saukopfessen sein wird. Eduard Anreiter kehrte sehr bald freundlich lä chelnd zurück. Er war zu seinem Auto gerannt und hatte den Saukopf dort eingesperrt. Jetzt ge hörte er ihm. ,,Morgen ist Saukopfessen beim Scherrer in Pfarrkirchen", verkündete er freund lich lächelnd dem Kaiser und seiner Frau, die sich gar nicht besonders erstaunt zeigten. ,,Vergan genes Jahr ham s' mir alle zwei halbe Köpf gstohln", erklärte er und seine Frau ergänzte ,,Mir ist's scho recht, i iß sowieso kan Saukopf." Dem Metzger mußte man nichts extra sagen, er wxjßte schon Bescheid. Zum Saukopfstehlen gehört ein Anführer, der die Tat verübt. Allein ist er aber meist machtlos, weil der Bauer und seine Familie gut achtgeben, daß ihnen nichts auskommt. Der Dieb braucht Helfer, die ihm zuerst den genauen Tag und die Uhrzeit des Schlachtens zutragen. Außerdem benötigt er eine oder mehrere Personen, die im entscheidenden Augenblick die Aufmerksamkeit ablenken und ihm so den Weg freimachen. Eine solche Geschichte berichtet Helmut Prasch in seiner ,,Volkskunde Oberkärntens"® aus dem Krappfeld, bei der die Nachbarn der Bäuerin während des Kochens einen richtigen gegen ei nen holzgeschnitzten Schweinskopf ausge tauscht haben. Während ein harmlos erscheinender Besucher die Bäuerin ablenkt, entwendet der „Dieb" den Saukopf; Zeihnung in; H. Prasch, Bäuerliche Volkskunde Kärntens (vgl. Anm. 6). Aus der Urllandschaft in Niederösterreich zeich net Edmund Friess'' den Brauch so auf, daß das geschlachtete Schwein im sogenannten ,,Fleischkammerl" (im Dachbodenraum oder im ersten Stock) des Hauses liegt. Mitunter schleicht sich die Bäuerin eines Nachbargehöftes mit ei nem flinken Mädchen, das ihre Tochter oder Dienstmagd (Dirn) sein kann, in das Vorhaus ein. Sie tritt allein in die Stube und begründet ihren Besuch mit dem Vorwand, sich irgendetwas für die Küche ausleihen zu müssen. Während sie sich mit Bäuerin und Bauer unterhält, eilt das junge Mädchen in das Fleischkammerl, bemäch tigt sich des Schweinskopfes und läuft dann rasch nach Hause. Wird es dabei ertappt, muß es den Schädel zurücklassen und wird obendrein über das Mißlingen ausgelacht. Überall wird der Saukopfdieb, der bei seinem Vorhaben erwischt wird und den Kopf wieder hergeben muß, kräfhg verspottet und darf sicher ^ Prasch, Helmut: Bäuerliche Volkskunde Kämtens, Dinkla ge, Geschichte der Kärntner Landwirtschaft, Klagenfurt 1966, S. 125-127. ' Friess, Edmund: Das ,,Sauschädelstehlen". Eine Scherz sitte im oberen und mittleren Einzugsgebiet des Urlflusses (Nö.); Kultur und Volk, Festschrift f. Gustav Gugitz, hrsg. V. Leopold Schmidt, Wien 1954, S. 85-92.

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