OÖ. Heimatblätter 1980, 34. Jahrgang, Heft 1/2

Schweinsrippen beim Schlachten Schweineschwanz beim Schlachten Spielkarten beim Spielen aus dem Paket Tänzerin beim Bayrisch-Polka Torten beim Brautgüter führen Weintrauben nach der Lese Wetzstein Zapfen vom Brunnentrog Diese sicher nicht vollständige Zusammenstel lung von Bräuchen allein aus Österreich und Südtirol zeigt, wie tief das Stehlrecht im bäuerli chen Leben verankert ist. Mit großem Feingefühl und völliger Sicherheit kennen diejenigen, die die Bräuche ausüben, die Grenzen ihrer Rechte". Überschreitungen kommen selten und eigentlich nur dann vor, wenn sich Außenstehende ohne Kenntnis der inneren Zusammenhänge beteili gen. Mit einem kurzen Blick in die Vergangenheit bestätigt auch die Überlieferung der Kirche die uralten Wurzeln dieser Bräuche: viele teils dra matische, teils humorvolle Geschichten berichten vom Reliquiendiebstahl geistlicher und weltli cher Herren untereinander, denn: im Volksglau ben sind gestohlene Dinge weitaus wirkungsvol ler, wertvoller und nützlicher als ehrlich erwor bene^. Mit ihnen erwirbt man die Kräfte des Bestohlenen. Das gilt auch für geliehene oder erbet telte Dinge. Das Stehlen muß mit Vorsatz erfol gen, damit der gestohlene Gegenstand seine Kräfte überleitet, aber man darf dabei nicht er wischt werden, sonst wirkt der Stehlzauber nicht. Saukopfstehlen Ein besonders weit verbreiteter, fröhlich-geselli ger Stehlbrauch wird im Winter in vielen Gebie ten Österreichs zur Zeit des Saustechens geübt: das Saukopfstehlen. Wie geht es dabei zu? In wenigen Worten zu sammengefaßt: Von einer geschlachteten Sau wird mit List und Witz der Schädel oder eine Schädelhälfte gestohlen. Ein paar Tage später es sen Dieb und Bestohlener mit Hausleuten und Freunden gemeinsam den Kopf. Das Saukopfes sen findet entweder bei einem der Beteiligten statt, oft beim Dieb oder beim Bestohlenen, oder im Wirtshaus. Um eine Vorstellung davon zu geben, wie sich der Diebstahl abspielt, lassen wir den Höglin ger-Max, einen gefürchteten Saukopfdieb aus Lembach im Mühlviertel erzählen, üm den ört liegen auf der Hochplatte oberhalb der großen Donauschlinge prächtige Bauernhöfe. Seit dem letzten Krieg ist der Aufschwung der Landwirt schaft deutlich spürbar. Die Maschinenwelt mit Traktoren, Heuladern, Mähdreschern und Melkmaschinen hat die verschwundenen Knechte und Mägde ersetzt. Ein Fernseher steht fast in jedem Haus. Auch bei den Nebenerwerbs landwirten, wo die Frau den Großteil der Feldund Stallarbeit macht, fehlt das Auto nicht. Viele Mitarbeiter der Handels- und Gewerbetreiben den in den größeren örtschaften bauen sich ihr eigenes Häusl. Die alten Bauernhäuser, angeb lich unzweckmäßig und zu nichts mehr gut, wer den abgerissen und durch Neubauten ersetzt, die viel zu oft eine erschreckende Ähnlichkeit mit dem häßlichen Einheitsvorstadthaus besitzen, das man von Flensburg bis Graz als ,,modern" baut. Auch hier im Mühlviertel wird man eines Tages um die schönen alten unersätzlichen Höfe trauern, wie man schon heute um die zerhackten oder um wenige Schillinge verkauften alten be malten Möbel trauert. Aber noch empfindet man Glasbausteine und Kunststofftüren mit Messin gleisten als „schön". Leider verachten viele Bau herren die alten Werkstoffe Holz und Stein und verwenden sie nur noch, weil die ,,modernen" Baustoffe doch recht teuer sind. Aber die Nach barschaftshilfe wird in die Baukosten berechtigt eingezogen, weil hier jeder dem anderen wirklidi noch „Nachbar" ist. Natürlich gibt es Zank und Feindschaften, wie überall. Auch der manchmal generationenalte Streit um ein Wasserrecht oder eine Zufahrt ändert nichts am Gefühl der Zusammengehö rigkeit. In dieser Umgebung hat sich die vom Höglin ger-Max erzählte Geschichte zugetragen: Es war im Winter im achtundsechziger Jahr, als ich mit dem Höfler von Witzersdorf übers Saukopfstehlen ins Reden kam. ,,Mir ist noch nie ein Saukopf gestohlen worden", sagt er, ,,das kann mir überhaupt nicht geschehen. Dazu geben wir beim Schlachten viel zu sehr obacht." •* Burgstaller, Ernst: Burschenschaftsbrauchtum - Das Steh len; Kommentar zu den Karten von Richard Wolfram im österr. Volkskundeatlas, 3. Lieferung (1%8), Bl. 45, S. 2-19. ® Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, hrsg. v. E. Hoffmann-Krayer, Stichwort ,,stehlen", Berlin-Leipzig 1935/36, S. 364.

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