OÖ. Heimatblätter 1980, 34. Jahrgang, Heft 1/2

Das Saukopfstehlen Darstellung und Bedeutung eines Stehlbrauchtums Von Hans Falkenberg Mit 6 Abbildungen, 4 Textzeichnungen und 1 Karte Schweine-Schlachtbräuche in der Landwirtschaft - Sauste chen im Mühlviertel - Stehlbräuche - Saukopfstehlen - Sau kopfessen - Brauchwandel - Untersuchung des Brauches - Opfer- und Göttertier der Germanen - Schlußbemerkung. Schweine-Schlachtbräuche in der Landwirtschaft Um Martini schlachtet der Bauer sein Schwein, das muß bis zu Lichtmeß gefressen sein. Im gesamten deutschen Sprachraum verbanden sich besondere Sitten und Bräuche mit dem Schlachttag. Die Hausschlachtung ist so alt wie die Haustierhaltung. Eine genauere Untersu chung der Schlachtbräuche führt uns zu Verhal tensweisen aus der Frühzeit menschlicher Kul tur. Es ist vorstellbar, daß sich nicht nur Opferbräu che im Geschehen um die Schweineschlachtung erhalten haben. Ebenso könnten Sühnevorstel lungen gegenüber dem getöteten Tier eine Rolle spielen. Sicher werden abergläubische Abwehr handlungen zu finden sein. Heischebräuche - bitten um einen Anteil - gehören in vielen Ge genden zum selbstverständlichen Recht der Nachbarn, der Dorfkinder, der Armen und auch der Hirten. Leopold Schmidt verweist auf die Nähe zu Erntebräuchen^, von denen der Weg weiter zur nachbarlichen oder burschenschaftli chen Geselligkeit im Rahmen der Dorfgemein schaft führt. Wo immer es irgend möglich war und nicht durch bittere Armut verhindert, nahmen Freunde und Verwandte am Schlachtfest teil. Erstaunlich die einander so ähnlichen, weit verbreiteten HeiSchweineschlachten; Holzschnitt aus dem Jahre 1604 (Archiv H. Falkenberg). schebräuche am Abend des Schlachttages, an dem die vermummten Gestalten der um einen Anteil Bittenden mit Gewalt ihre Maskierung verteidigen. Kann dieser Brauch in einer Zeit ent standen sein, als „heidnische" blutige Tieropfer von der Kirche verboten wurden, aber im Volk verborgen weiterlebten? Saustechen im Mühlviertel Nicht immer verläuft der Schlachttag auf dem Land ohne Zwischenfälle. Rosa Hölzl, eine Bäue rin aus Schlag, Gmde. Pfarrkirchen i. M., hat zwei Gedichte gemacht, die sich mit besonderen Ereignissen befassen. Das erste erzählt, wie die Nachbarschaft einen Streich beim Saustechen spielt: „Heua is nu a greßanl Gaudi gwen, des muas i a nu gschwind vazöhn. Da Maura Franz von Weberschlag is ba uns gwen den selben Tag, da kirnt af oamal da Eduard daher und sagt, ös doats heit eh nix mehr - i bitt enk, helfts ma d' Sau umbringa, oft miaßat's a do wida amal gscheit gelinga. Güt scho, sagt da Franz, schleif d' Messa gscheit, mia keman scho zur rechtn Zeit. Da Eduard schleift d' Messa fei und sicha, dawei ha me ih in sein Saustall gschlicha. D' Sau runst und grünst und macht an nik, es kennts den richtigen Augenblick, ich bitt euch, helfts in letzter Not und retts mi vorn Märtierertot. Ih ha d' SaustaUtür afgmacht und wirkli hoamli glacht, wei d' Sau, de hat 's Schwoafai sehe aftraht und is vor mir hergrennt gar net fad. Mir hams zu uns in Saustall eini lassn, so, Ludschal, da kannst hiaz nu a bisl rastn. En Strick uma Hals und 's Messa in die Hend, a so is da Eduard umananda grennt. Mia ham natirli unendli glacht, des hatn af uns aufmerksam gmacht. Es ist dan zu uns einikema, es wollts ma ja do net de ganzi Sau glei nehma. A Kistn Bier kints ham von mir, wans ma afsperts d' Saustalldir. Dös hat da Eduard versprocha, dös kost uns natirli an gscheitn Lacha. In an Festzug treibt a d' Sau hiar hoam, hiaz gibt's nimma lang a Umaloan. I sag enks, hiaz werds richtig lacha, weil so wüd hot der die Sau abstocha. Schmidt, Leopold: Volkskunde von Niederösterreich, Bd. 1, Horn 1966, S. 366.

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