OÖ. Heimatblätter 1980, 34. Jahrgang, Heft 1/2

sie infolge der großen Entfernung von Linz „die regelmäßige Befriedigung ihrer kulturellen Be dürfnisse nicht finden können". Sie sollten des halb nicht zur Beitragsleistung im vollen Maße zugezogen werden. Der von der Statthalterei Linz vorbereitete Ent wurf einer Verordnung des Innenministeriums über die Festlegung des Sprengeis' sieht vor, daß das Kronland Österreich ob der Enns ein solcher Sprengel mit der Hauptstadt Linz als Sitz des Vorstandes werde, daß aber die Israeliten der Stadt Steyr und des Kronlandes Salzburg dieser israelitischen Kultusgemeinde ,, zugewiesen" werden. Dieser Entwmf entspricht durchaus dem Vorschlag der Kultusgemeinde Linz-Urfahr. Wörtlich heißt es hier: ,,Weil dieselben von der Furcht befangen sind, bei der Einfügung in die Kultusgemeinde zu große materielle Opfer brin gen zu müssen und daher ihre Einverleibung in solche Gemeinden widerstreben ... sie sollten überdies die Einfügung in die Kultusgemeinde nicht als Last, sondern als Wohltat empfinden." Die Errichtung einer eigenen Kultusgemeinde Steyr wird entsprechend der Stellungnahme der Kultusgemeinde Linz-Urfahr von der Statthalte rei nicht beantragt. Die Steyrer Juden sollten, wie die von Salzburg, der Kultusgemeinde Linz-Ur fahr „zugewiesen" werden. Man wünscht aber auch nicht, das der bisherige ,,Cultusverein" von Steyr seine Tätigkeit einstellt. Von Salzburg aus macht man vorerst keine Schwierigkeiten, fragt jedoch, wie es künftig mit der Matrikenführung für die Israeliten Salzburgs bestellt sein werde und schlägt vor, daß auch die Matrikenführung (Geburts-, Trauungs- und Sterbematriken), für die Juden des Herzogtums Salzburg in Linz erfolgt, daß aber diese Matriken führung in von Oberösterreich gesonderten Bü chern vorgenommen werde^". Eine vermutlich direkte und sehr wirkungsvolle Intervention der alles in allem doch sehr kleinen Gruppe Steyrer Juden im Kultusministerium in Wien führt aber dazu, daß das Ministerium ent gegen der Meinung der israelitischen Kultusge meinde Linz-Urfahr und der oberösterreichi schen Statthalterei die Errichtung einer eigenen Kultusgemeinde für Steyr verfügt. Tatsächlich wird von Steyr auch Abraham Jäger, vorerst als Rabbiner-Stellvertreter, namhaft gemacht, eine der Voraussetzungen für die Errichtung einer ei genen Kultusgemeinde. Jäger, schon bisher,,Re ligionsweiser", soll für die Kultusgemeinde Steyr auch die Matrikenführung übernehmen. Diese Steyrer Kultusgemeinde wird auch sehr rasch konstituiert und seit 1893 erfolgt der Schriftver kehr bereits auf eigenem Briefpapier. Mit 1. Jän ner 1893 wird für den Bereich Steyr auch eine ei gene Matrik angelegt^^. Die Tatsache, daß als Proponent dieser Steyrer Kultusgemeinde ein Jo achim Winternitz, vermutlich ein Sohn oder Verwandter des bisherigen Vorsitzenden der Linzer Kultusgemeinde, fungiert, läßt die rasche und positive Erledigung der Steyrer Wünsche verständlich erscheinen. Die bescheidene Anzahl von Juden in Oberöster reich wird durch die gemeinsame Kultusge meinde für fast ganz Oberösterreich und das ganze Land Salzburg dokumentiert. Wie aber sieht es in anderen Bereichen ,,Zisleithaniens" aus? Das benachbarte Böhmen zählt gleichzeitig nicht werüger als 206 solcher Kultusgemeinden und wird nur noch von Galizien mit 253 Kultus gemeinden übertroffen. Zu den Ländern mit rela tiv viel israelitischen Kultusgemeinden zählen noch die Bukowina mit 15, Niederösterreich (ein schließlich Wien) mit 14 und das kleine Schlesien mit 10. Das zahlreiche Juden beherbergende Bur genland gehört zu dieser Zeit ja noch zu Ungarn. In allen übrigen Ländern ist sowohl die Zahl der Juden wie der Kultusgemeinden klein; 2 im Küstenland (Görz, Gradiska, Istrien und Triest), in Oberösterreich (wobei zu Linz auch noch das Land Salzburg zuzuzählen ist) und Dalmatien. Je eine Kultusgemeinde für die Steiermark (wobei zur israelitischen Kultusgemeinde Graz auch die Juden Kärntens und Krains kamen) und in Vor arlberg (wobei der Kultusgemeinde Hohenems die Israeliten Tirols zugewiesen waren)^. Die neue Ordnung läßt die Linzer Statuten von 1874 als überholt erscheinen, aber ein neuer Ent- « OÖLA, ad 12951 und 14483. OÖLA, Schreiben der Statthalterei Salzburg vom 21. Juli 1892 an die Statthalterei Linz. OÖLA, Verordnung des Cultusministeriums vom 11. Juli 1892, Z, 22656; Erlaß vom 5. Juli 1892, Z. 8996/IV; Schrei ben der Stadtgemeinde-Vorstehimg Ste5rr vom 26. Juli 1892.

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