Linzer Gutachten verweist auch darauf, daß von den 38 Parteien 17 als landesfürstlich ,,unbesteuert" und 21 als ,,vermögenslos" zu bezeichnen seien. Einige der Steyrer Juden seien Beamte, Fa briksarbeiter und Bahnangestelle und somit ihr Aufenthalt in Steyr kein bleibender. Auch habe der Steyrer Betverein über die sich ergebenden Pflichten, der Bestellung eines Rabbiners, Cantors, Lehrers, Schächters, bezüglich der Errich tung eines eigenen Tempels, eines rituellen Ba des, eines Friedhofes und einer Kanzlei ,,kein richtiges Urteil". Auf Grund langjähriger Erfah rungen habe etwa die Kultusgemeinde Linz ein jährliches Mindesterfordernis von 6000 bis 7000 Gulden. Ein nach dem Israelitengesetz möglicher gemeinsamer Rabbiner für Steyr und Linz würde die Interessen der Linzer Juden gefährden und würde von den Linzer Juden nicht akzeptiert werden. Energisch wendet man sich auch gegen die Einbeziehung der drei jüdischen Familien von Enns in eine zu bildende Kultusgemeinde Steyr; eine dieser Familien sei bereits seit 1877 Mitglied der Kultusgemeinde Linz-Urfahr. Nochmals wird erklärt, eine Kultusgemeinde in Steyr sei nicht lebensfähig und somit nach dem Wortlaut des Gesetzes ,,nicht statthaft". Schließlich wird angeführt, daß es im ganzen Kronland Oberösterreich nicht mehr als 200 Fa milien israelitischer Konfession gäbe, für deren ,,religiöse und rituelle Bedürfnisse die Kultus gemeinde Linz ohnehin vollständige Befriedi gung brachte". Deshalb sei die Bildung einer is raelitischen Kultusgemeinde in Steyr, so das Ur teil der Linzer Juden, ,,vollständig überflüssig", ja sogar,,absolut schädlich" und den Intentionen des Gesetzes von 1890 nicht entsprechend^. Auf Grund des Gesetzes von 1890, das die Orga nisation der jüdischen Gemeinden in der westli chen Reichshälfte realisieren soll, ändert sich in Oberösterreich vorerst nicht viel. Gedruckte Sta tuten liegen bereits vor, und zwar aus dem Jahre 1874. Hier ist vorerst von einer ,,Cultusgemeinde Linz-Urfahr" die Rede - allerdings auch nur von Juden, die hier, also in Linz und Urfahr ihren dauernden Wohnsitz haben und daselbst ,,lan desfürstliche Steuern zahlen". Erwähnt sind al lerdings auch jene auswärtigen (oberösterreichi schen) Israeliten, die ihren Beitritt zur Kultusge meinde angemeldet haben. Vorsteher dieser isra elitischen Kultusgemeinde ist 1874, also vor Erlaß des Israelitengesetzes, Dr. Wintemitz. 1890 lebt auf Grund einer anbefohlenen Erhe bung wohl das Gros der oberösterreichischen Is raeliten, nämlich 492, in Linz-Stadt, was fast die Hälfte aller Juden entspricht. Die weiteren ober österreichischen Bezirke melden folgende Zah len; Linz-Land 156, Steyr-Stadt 174, Gmunden 79, Perg 39, Braunau 25, Wels 24, Vöcklabruck 14, Rohrbach 9, Ried 9, Freistadt 6 tmd Kirchdorf 4. Diese Zahlen sind allerdings nicht völlig eindeu tig, denn in den Bezirken Rohrbach und Freistadt fühlen sich bislang jüdische Familien zu den isra elitischen Kultusgemeinden Kaplitz und Rosen berg in Südböhmen zugehörig, 6 der im Bezirk Gmunden gemeldeten Juden zum steirischen Aussee und solche des Bezirkes Perg - Juden aus Grein und Mauthausen - nach Ybbs in Nieder österreich. Als ,,Totalsumme" der in Oberöster reich lebenden Juden werden 1036 angegeben®. In den Jahren nach 1890 entsteht also, wenn auch etwas mühselig und langsam, eine erste reguläre Territorialordnung. An Stelle einer einzigen, im wesentlichen auf Linz und Urfahr beschränkten Kultusgemeinde entsteht nun ein reguläres Netz, das alle Gebiete fugenlos und ohne Lücken ab deckt. Um dies zu erreichen, fordert etwa das Kultusministerium die Salzburger Landesregie rung auf, die Israeliten des Herzogtums Salzburg der israelitischen Kultusgemeinde Linz „einzu verleiben" oder ,,lediglich zuzuweisen". Über die Situation und Wünsche der Steyrer Juden, die vom Anbeginn an im Kultusrrünisterium interve niert hatten, seien weitere Erkundigungen zu ziehen^. Bezüglich Salzburg wird in einem Erlaß des Mini steriums® allerdings angeführt, daß die Salzburger Israeliten, ,,abgesehen von Eheangelegenheiten und Matrikelführung in ihren culturellen und ri tuellen Einrichtungen ganz unabhängig gestellt sind, daß sie ein eigenes Betlokal und einen eige nen Religionslehrer und Vorbeter besitzen", daß ® OÖLA, Schreiben der israelitischen Gemeinde Linz-Ur fahr vom 23. September 1890. ' OÖLA, „Nachweisung" ad 12951 und 14483 ex 1891. ' OÖLA, Schreiben des Ministeriums für Cultus und Unter richt, Z. 6820 vom 3. Juli 1891. 8 OÖLA, Erlaß vom 3. Juli 1891, Z. 227188" an die k. k. Lan desregierung für Salzburg.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2