Das Israelitengesetz von 1890 und seine Auswirkungen jfür Oberösterreich Von Harry Slapnicka Die sehr positive Folgewirkung des so umkämpf ten und später von der liberalen Regierung Auersperg gekündigten österreichischen Konkordats von 1855 ist, daß auf Wunsch des Kaisers auch die Rechtsverhältnisse der übrigen Konfessionen - nunmehr innerstaatlich - geregelt wurden, für die Juden vor 90 Jahren im Frühjahr 1890. Damit geht die moderne Organisationsform der israelitischen Kultusgemeinde auch in Ober österreich wie in den anderen Ländern der west lichen Reichshälfte auf das Gesetz vom 21. März 1890 ,,betreffend die Regelung der äußeren Rechtsverhältnisse der israelitischen Kultusge meinden" ^ zurück. Das von Kaiser Franz Joseph und den Ministern Taaffe, Gautsch und Schön born unterzeichnete und 36 Paragraphen umfas sende Gesetz wird die Basis für die Neuerrich tung bzw. Neukonstruktion jüdischer Gemein den - übrigens bis zum heutigen Tag. Gewiß hatte es schon vorher ,,Cultusgemeinden", aber auch „Cultusvereine" gegeben; sie bestehen bei Erlaß des Gesetzes schon teilweise durch Jahr zehnte. Als Gründungsjahr der israelitischen Kultusgemeinde Linz wird das Jahr 1863 angege ben. Aber das waren nur punktuelle Organisa tionen, sie deckten nicht den Gesamtbereich der westlichen Reichshälfte ab. So kommt es zwi schen 1890 und 1894 zu völlig neuen Gründun gen, aber auch zu Neuzuteilungen an schon be stehende Kultusgemeinden. Wie rücksichtsvoll man 1890 vorgeht, beweist die der Gesetzeswerdung vorausgehende Diskus sion; man ersetzte dabei die ursprünglich vorge sehenen Worte „Jude" und „jüdisch" durch „Is raelit" und „israelitisch", ,,dem Nationalgefühle der Nachkommen Israels (Jakobs) entsprechend und bei diesen beliebte Ausdrücke". Flervorgehoben muß auch werden, daß der Staat eine weitgehende Autonomie der israelitischen Reli gionsgesellschaft vorsieht, aber,,seitens der isra elitischen Religionsgesellschaft selbst an die Re gierung das Ansinnen gestellt wird, bei der Rege lung der Kultusverhältnisse weit über die Belan ge, welche das staatliche Interesse berühren, hinauszugreifen"^. Die neuen Kultusgemeinde-Sprengel sollen in nerhalb von drei Jahren festgelegt werden. Schon im Gesetz wird erwähnt, daß sie nur dann errich tet werden dürfen, ,,wenn hinreichende Mittel zu Gebote stehen, den Bestand der nötigen got tesdienstlichen Anstalten und Einrichtungen, die Erhaltung der Religionsdiener und die Erteilung eines geregelten Religionsunterrichtes zu si chern . . .". Schließlich sollten die Sprengel nach dem Gesetz ,,nicht allzu ausgedehnt" sein - eine Weisung, an die man sich gerade in Oberöster reich nicht hält bzw. angesichts der wenigen hier wohnenden Juden nicht halten kann^. Anfänglich besteht im oberösterreichischen Be reich eigentlich nur die „Israelitische Cultusgemeinde Linz-Urfahr". Von dieser getrennt soll von Anbeginn an eine eigene israelitische Kul tusgemeinde in Steyr werden - sie wird später für die politischen Bezirke Steyr und Kirchdorf reali siert. Gleichzeitig ist aber auch die Tendenz des Kultusministeriums sichtbar, die Juden des ge samten Bundeslandes Salzburg der israelitischen Kultusgemeinde Linz, die praktisch eine solche für das gesamte Bundesland Oberösterreich dar stellt, unterzuordnen. Die Steyrer Bestrebungen" werden vorerst von der Kultusgemeinde Linz-Urfahr mit der Be gründung abgelehnt, es handle sich „dermalen" nur um einen ,,Betverein"; es seien nicht dreißig Familienhäupter vorhanden, auch wenn die Peti tion 33 Unterschriften enthalte. Das ablehnende 1 R. G. Bl. Nr. 57. ^ Von Hermritt, Juden, in: österreichisches Staatswörter buch, 2. Band (F-J), Wien 1906, 956-981. - Rosenbacher, Ju den, in; österreichisches Staatswörterbuch, 2. Band (H-M), Wien 1896, 168-196. ' Für Oberösterreich ist dabei von Interesse, daß gerade die ser wesentliche Zeitabschnitt der Geschichte der ober österreichischen Juden ab 1890, also die erste Organisa tionsform, bei der jeder Jude einer Kultusgemeinde ange hören muß, die eher unerwartete Errichtung einer eigenen israelitischen Kultusgemeinde Steyr und die gleicherma ßen eher ungewöhnliche Unterstellung der Israeliten des Herzogstums Salzburg unter die Linzer Kultusgemeinde bisher noch nie dargestellt worden ist. Die Geschichte der oberösterreichischen Juden von Gold endet merkwürdi gerweise in den siebziger Jahren des vergangenen Jahr hunderts; die spärlichen anderen Darstellungen beginnen frühestens nach dem Ende des Ersten Weltkrieges. Hugo Gold, Geschichte der Juden in Linz, 1. Teil; Dr. Karl Schwager, Geschichte der Juden in Linz, 11. Teil, in: Ge schichte der Juden in Österreich, Tel Aviv 1971. '' OÖLA, Statthaltereiakten, Sch. Nr. 766. Schreiben des Proponentenkorrütees vom 17. Juni 1890 (vermutlich nicht mehr erhalten) und Stellungnahme des Bürgermeisters von Steyr vom 19. August 1890, Z. 9228.
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