der West-Ost-Richtung ist es das Donautal - der Wasserweg der leichteste und müheloseste. Salz und Eisen kamen in der Süd-Nord-Richtung aus dem Alpenland über Inn, Traun und Enns ins Donautal und von da über die Waldpässe hinein ins Böhmische. Die erste Pferdeeisenbahn vom Salzkammergut über Linz nach Budweis schloß sich daran an. Dienten diese Wege auch in erster Linie wirtschaftlichen Zwecken, so erfolgte durch sie auch ein Austausch kultureller Art. Naturgemäß war in beiden Fällen die Ausstrah lung flußabwärts kräftiger als umgekehrt. So fin den wir in unserem Tanzgut Namen wie:,,Deut sche (Teudsche) Taenz", „Neudeutsch", ,,Bamsch", ,,Bairisch-Polka", ,,Rheinländer", ,,Schwabentanz" u. ä. Das ist schon ein Hinweis auf ein wahrscheinliches Ursprungsgebiet dieser Tänze, obwohl man sich nicht ganz darauf verlas sen kann: Tanznamen werden oft vertauscht, und manche Tänze haben in verschiedenen Ge genden verschiedene Namen. Außerdem haben eingewanderte Tänze sehr bald eine eigenstän dige Form entwickelt. Der Austausch geht aber schon in früher Zeit auch in umgekehrter Richtung vor sich: „Linzer Polka", „Eckerischer", ,,Kaiserlandler", „Salz burger Dreher", „Steirische" u. a. sind auch im Bayemlande seit langem daheim. Schon um 1800 finden wir in den Notenblättern und Tanzheften der Tanzmusikanten aus dem Mühlviertel und dem Böhmerwald Belege von „Steyermarkter Taenzen" oder ,,Steurischen", einen Tanz, der „Tirolerschützen" heißt (aber ein Schustertanz ist), natürlich auch die,,Linzer Pol ka", die es auch heute noch unter dem Namen ,,Linca pulca" bei den Tschechen in der Budweiser Gegend gibt. Sie ist durch eine tschechische Stu dentin nach Amerika gekommen, hat sich dort in vielen Volkstanzkreisen sehr beliebt gemacht und kam mit dem Namen ,,Doudlebska-Polka" nach Europa zurück und ist heute europa-internationaler „Hit". Bei uns nennt man sie schämig ,,Sternpolka". Die Sammlung ,,Deutsche Volkstänze aus dem Böhmerwald" von Ludwig Hoidn (Leipzig 1930) enthält 49 Tänze in der Art der oberösterreichi schen und niederbairischen Tänze! Tanzgut ist nicht an Grenzen gebunden. Unser Land ist in drei stark verschiedene Gebiete gegliedert, mit wirtschaftlich und kulturell eige ner Entwicklung: Das karge Hügel- und Wald land Mühlviertel im Norden, das breite, frucht bare Flach- und Hügelland in der Mitte (Alpen vorland) und das Bergland im Süden. Aus ge meinsamen Ursprung heraus entwickelte der gleiche Menschenschlag unterschiedliche Aus formungen. Freilich fließen diese an den Grenzen ineinander, überspringen auch größere Gebiete. Im allgemeinen kann man aber feststellen, daß bestimmte Tanzformen sich in abgegrenzten Ge bieten ,,ihre" Landschaft bilden — ,,Tanzland schaften". Von der übergeordneten Tanzform der,,Ländler" gibt es etwa zwölf unterscheidbare Typen, eingebettet in eigene Landschaftsgebiete. Mit dem Ersten Weltkrieg wurde das volkskultu relle Leben mit einem Schlag unterbrochen und die natürliche Weiterentwicklung einschneidend gestört. Nicht nur, daß laute Fröhlichkeit mit Singen, Mu sik und Tanz in der Sorge um das Kriegsgesche hen verdrängt wurde, ein großer Teil der Überlie ferungsträger - die guten Sänger, Musikanten und Tänzer - waren jahrelang von der Heimat fern und eine große Anzahl kam nicht mehr zu rück. Viele der Heimkehrer waren vom Krieg ge zeichnet, verbittert und voller Sorge um die Zu kunft. Der Umsturz vieler bisher geltender Werte und Fremdeinflüsse durch die Siegermächte ka men hinzu. Andererseits war nach den schrecklichen Kriegs erlebnissen und der langjährigen Entbehrung unbeschwerter Fröhlichkeit ein starkes Bedürfnis danach; Versäumtes wollte nachgeholt werden. Es war nicht verwunderlich, daß in den Nachkriegswirren über das Treiben bei Tanzbelusti gungen Klage geführt wurde. Doch hatte dieses Übermaß an Belustigungen auch etwas Positives: Allmählich kamen halbvergessene Tänze und Lieder wieder in Erinnerung. Es fanden sich Leu te, die sie noch kannten und vermitteln konnten, und so konnte an manches wieder angeknüpft werden. Die Erkenntnis, daß die Volkstumsgüter in Ge fahr waren, vergessen zu werden, rief die For scher auf den Plan. Es ist bezeichnend, daß ge rade in den zwanziger Jahren - zum Teü unab-
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