OÖ. Heimatblätter 1980, 34. Jahrgang, Heft 1/2

sich, welche Ironie, als gänzlicher Versager. Mit seinem altmodischen gepuderten Zopf, das ist mit dem ,,versilberten Haarbeutel" gemeint, im neuen Zeitalter eines lebhaften Verkehrs schließ lich kein Wunder. Dieser Zopf ist im Vormärz bei Karikaturen stets das Abzeichen eines reaktionä ren, fortschritthemmenden Bürokratismus. Unser Dienstmann ist im Gegensatz zu seiner würdigen soliden Adjustierung bequem, trunk süchtig, argwöhnisch, völlig unverläßlich, bleibt doch das ihm anvertraute Gut leichtsinnig auf der Straße stehen. Soll diese Figur zeigen, daß sich alte und neue Zeit nicht vertragen? Oder wollte man sich über eine Neuerung lustig machen, ohne die man früher auch ausgekommen war, und hat dabei kurzerhand auf eine ältere, vor handene Dienerpuppe gegriffen, ohne sich dabei etwas Besonderes zu denken, so wie für den Ber liner ein für die Tropen gerüsteter Engländer als Typus „Tourist" im 19. Jahrhundert herhalten mußte. In dieser vielleicht ganz zufälligen Rol lenverteilung mag ein Witzbold auch eine satiri sche Bedeutung gefunden haben; Die scheinbar recht biedere ,,Stadtlandschaft Steyr" sei wohl eine exotische Gegend, in der es mancherlei zu entdecken gäbe. Beim Berliner wirken die fremde gewandte Redeweise und sein Schwärmen für alte Gebäude komisch, und die Situation gibt Ge legenheit, sich über die Steyrer, die auch diesen ,,Fimmel" haben (den Verein der Heimatfreun de), lustig zu machen. Ganz im Sinne jener Bevölkerungskreise und Gemeindevertreter, gegen die zum Schütze des alten Stadtbildes vor radikalen Modemisierungsplänen ein Meister Blümelhuber den Thronfolger Franz Ferdinand zu Hilfe rufen muß te. Es gehört durchaus zum Humor, einmal dem Zeitgeist zu huldigen, um ihn bei anderer Gele genheit in seinem Anspruch auf Absolutheit ge hörig zu verulken. Als ein Zeichen des Fortschrit tes ist in dieser Szene die Errungenschaft des Ex preßdienstmannes da, aber als eine höchst frag würdige Angelegenheit. Alle Skepsis Neuerun gen gegenüber hat man diesem armen Mann mit seinen Unzulänglichkeiten aufgebürdet. Sah man in dem neuen Beruf nur eine Sache für Wirtshaussitzer und Faulpelze? Oder nahm man eine bestimmte Person aufs Korn wie beim Brauchtum der ,,Rügebriefe" im Fasching? Und als bühnenwirksame Gestalt in einer gut gelun genen Szene ist sie erhalten geblieben. Im Lei chenzug, der vor 1913 merkwürdigerweise auch an der Krippe vorüberzog, kam beispielsweise der ,,Menhardenhiasl", eine schon verstorbene stadtbekannte Figur vor®. Das Motiv der Konkur renz zwischen Tradition und Fortschritt wird stets aktuell bleiben. Der Berliner kann im Poltergeist einem ,,echten" Vertreter der alten Zeit, für deren Werke er so schwärmt, leibhaftig begegnen! Doch ent schwindet ihm die Erscheinung, die ihn auch schreckt und neckt, ihm wunderlich und un heimlich sein muß, unversehens, wie sie ge kommen. Und nimmt noch dazu den modernen Reisekoffer mif^i Die Vielschichtigkeit der Bezüge, die, wenn man will, in dieser Szene sich finden läßt, das ver schiedenartige Spiel mit Sinngehalten, zeichnet im Krippentheater nicht nur diese ganz auf Steyr bezogene Episode aus. Sei sie nun auch nur ganz zufällig so geraten, aus urwüchsiger Begabung für naive Komik so gelungen oder mit überlegtem Witz so angelegt worden, sie läßt alle Arten von Besuchern einer Aufführung auf ihre Rechnung kommen. Das kindliche Gemüt wird mit dem Kasperltheatermotiv des Koffergeistes seinen Spaß haben, andere werden Vergnügen finden, wie Berliner und Dienstmann geschildert werden und miteinander zu tun bekommen, und Anspie lung vermuten, oder hineinlegen, wie sie oben erwähnt wurden. So kann sich schließlich jeder mann auf seine Weise angeregt sehen und am Bühnenspiel interessiert teilnehmen. Was von diesen einzelnen Szenen gilt, läßt sich mit gleicher Berechtigung im analogen Sinne vom ganzen Steyrer Kripperl sagen. Eine genauere Analyse der verschiedenen weltli chen lustigen Auftritte wird in den meisten Fällen zeigen, daß sie in ihrer Art jeweils vorzüglich komponiert sind, um in knapper Form mit den Goldbacher: Das alte Krippentheater in Steyr. Die Wirkung des Auftrittes ist ganz von der Möglichkeit ab hängig, den redegewandten Berliner irchtig dar- und dem behäbigen Dienstmann gegenüberstellen zu können. Ge genwärtig fehlt ein Spieler, dem diese Rolle liegt, und daher die Szene auch im Repertoire. Unserer Situation angepaßt, wäre dieses lokale Motiv, entsprechend variiert, nach wie vor höchst aktuell und dankbar.

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