OÖ. Heimatblätter 1980, 34. Jahrgang, Heft 1/2

Humor und Satire im Steyrer Kripperl Von Alfred Stifter Mit 3 Abbildungen Im Innerberger Stadel, dem Heimathaus der al ten Eisenstadt, gibt das Steyrer Kripperl noch all jährlich zur Weihnachtszeit seine Vorstellungen. Von den einst verbreiteten derartigen Puppen theatern hat es als einziges im deutschen Sprach bereich den Anbruch des Industriezeitalters überlebt und ist eine theatergeschichtliche wie volkskundliche Rarität ersten Ranges^. Dabei ist seine Verbindung von Krippenspiel mit vielfälti gen lustigen Auftritten ein besonderes Charakteristikum^. Dieser reiche weltliche humorvolle Rahmen, der allmählich die Weihnachtsszenen umgeben hat, soll einmal in seiner typischen Struktur genauer beschrieben werden. Was im Repertoire des Steyrer Kripperls, in der liebenswürdigen, durch das Wesen der Puppen spieldarbietung geprägten niedlichen Theater welt aus,,guter alter Zeit" auf den ersten Blick oft nur als harmloser Scherz erscheint, ist im Gnmde oft eine harte satirische Bloßstellung und scharfe Rüge bürgerlicher Untugenden und allgemeiner menschlicher Schwächen. Die Frage, was Humor eigentlich sei, läßt sich am besten mit Umschreibungen und Beispielen be antworten, wobei sich auch die verschiedenen Grade von Humor bis zur Satire zeigen lassen. Offensichtlich hat Humor eine soziale Dimen sion, es ist ein Spiel mit Bedeutungen in einem bestimmten gesellschaftlichen Bereich, den der Humor braucht, um zu wirken. Humor läßt sich als eine Haltung auffassen, die Unzulänglichkei ten der Welt heiter und gelassen zu ertragen. Deshalb kann ihn auch der verbissene Ideologe in seinem tierischen Ernst nicht dulden und nur Sarkasmus, beißenden Spott, brauchen. Der Humorist bringt Überraschung in den gewohn ten Alltag, greift Unerwartetes frisch auf, ent deckt komische Situationen, liebt einen normalen Gedankengang zu durchkreuzen. Er wirkt durch das Herausstellen von Gegensätzen, wenn er et was Mechanisches in eine lebendige Situation bringt oder umgekehrt. Die bewegliche Puppe, die Marionette, ist selbst eine humoristische Er scheinung, wenn sie als Mechanismus in verblüf fender Weise Leben vortäuschen kann. In den mechanischen Ablauf einer institutionali sierten Umwelt mit ihren Normen bringt ein lu stiger Eingriff stets Leben. Der soziologische Aspekt gibt manche Erklärung, warum man sich etwa selbst nicht ungern zum Narren halten läßt, wobei es tröstlich und befreiend wiederum ist, wenn andere Zuschauer auch nicht klüger sind und mit in die komische Lage hereingezogen werden. Gewisse bewährte Arten des Schalkhaften wir ken immer wieder, andere bleiben nur lustig in stets neuer Abwandlung wie das Aus-der-Rolle-Fallen, wie Wortverdrehungen, Mißverständ nisse, Aufsitzer. Wichtig ist dabei stets, die gege benen üblichen Beziehungen der Menschen und Dinge in Frage, ja irgendwie auf den Kopf zu stel len. ' Der Typus des Steyrer Kripperls war einst in unserem Ge biet verbreitet, wie überlieferte Berichte beweisen (Pailler). Eine manchmal erwähnte engere Verwandtschaft mit dem Kölner Hänneschen-Theater trifft nicht zu, abgesehen von unter Puppenspielen üblichen Beziehungen. Die alte ur sprüngliche Aufmachung in Köln hatte wohl einst auch zwei Nebenbühnen für lustige Zwischenspiele, doch wurde diese Anordnung längst aufgegeben und das Theater, seit 1926 Unternehmen der Stadt Köln, gewaltig ausgebaut und der technische Apparat modernisiert. Nach völliger Zerstö rung im Zweiten Weltkrieg hat man nach 1947 das Theater vergrößert wieder auf- und ausgebaut und dabei sich noch weiter von der alten Art entfernt. Im Gegensatz zum Hänneschen-Theater enthält die Steyrer Puppenbühne nicht nur eine Aufstellkrippe, sondern in den Handwerkerszenen noch ein,,mechanisches Theater", das es auch als große Krippe im benachbarten Christkindl gibt. Solche Spielautomaten waren früher verbreitet; in Haslach waren sämtliche Figuren der Krippe des Webers Hable beweglich (vgl. Oö. Heimatblätter, 1. Jg., 1947, S. 340). ^ Beim Puppenspiel wird wohl meist zwischen Handpuppen = Kasperltheater und Marionetten unterschieden, bei letz teren aber selten die Verschiedenartigkeit auseinanderge halten: a) Die auf Schnüren hängende, von oben geführte Faden puppe, die eigentliche Marionette. b) Die auf Stäben steckenden Figuren, deren Arme gleich falls mit Stäben oder Drähten von unten bewegt werden können. (Der klassische Typus ist die javanische Wayanggolek Figur.) Zu dieser Art zählen die frei gespielten Pup pen im Steyrer Kripperl, wie sie für die lustigen Stücke verwendet werden. c) Geht die Figurengröße über ein handliches Maß hinaus, muß die Puppe auf einer Stange in Spielerhöhe angebracht werden, um sie auf dem Boden aufstützen zu können. In diesem Fall handelt es sich erst um eine richtige Stock puppe (wie beim Hänneschen-Theater), wobei sich die Di mension bis Lebensgröße und darüber hinaus (für Aufzü ge) steigern läßt. In Steyr hat man auch gerne bei den ganz steifen Figuren von Stockpuppen gesprochen, was dann leichter an Beziehungen zu Köln denken Heß.

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