nen, so sollten sie gerade in Tirol bitter enttäuscht werden. Nach dem Schock von 1918 gewannen die restaurativen und reaktionären Kräfte bald wieder die Oberhand. 1920 etablierte sich in Innsbruck unter Steidle bereits die Heimwehr mit offe nem Bekenntnis zum Faschismus. Jedenfalls, ehe sich's die feindlichen Brüder recht versahen - seit 1928 entwickelte auch die kommunistische Partei in Tirol eine rege Tätigkeit wa ren sie beide unrühmlich zur Strecke gebracht: Verbot der Kommunistischen Partei, Mai 1933, blutiges Finale der So zialdemokratischen Partei im Februar 1934! Über diese bösen Dinge mit der Arbeiterbewegung und über ihren haßbesesse nen Todfeind Faschismus steht viel Faktisches und Beden kenswertes im Buch. Zur Gesamtcharakteristik des Werkes und seines Verfassers noch ein paar abschließende Hinweise. 1. Oberkofler ist kein Freund des anpassungsbereiten sozial demokratischen Reformgeistes (für ihn gleich ,,Opportunis mus"). Dazu Stadler: Ausdruck ,,perfektionistischen Den kens des Theoretikers", der die jeweilige Situation nicht nüchtern genug einschätzt. 2. Der Autor schreibt als modemer Historiker, der die Ent wicklung unter sozioökonomischen Gesichtspunkten be trachtet. Daher bestückt er dankenswerterweise seine Dar stellung ausgiebig mit aufschlußreichen sozialgeschichtlichen Befunden. 3. Der sehr kritische Forscher bezieht eine scharf pointierte ideologische Frontstellung gegen Amtskirche, politischen Klerikalismus und katholische Soziallehre und hat dafür seine emstzunehmenden Gründe, mit denen er nicht hinterm Berg hält. Und der Ertrag dieser wichtigen regionalgeschichtlichen Stu die für das Verständnis der Arbeiterbewegung im Ganzen? Ist das Tiroler Beispiel typisch für Österreich? Gewiß, soweit es sich um überwiegend landwirtschaftlich strukturierte Gebiete nüt ähnlichen sozialen Bedingungen handelt. Josef Krims Peretz Merchav: Linkssozialismus in Europa zwischen den Weltkriegen. Mit einer Einleitung von H. Konrad (= Materia lien zur Arbeiterbewegung, Nr. 14), Wien 1979 (Europaver lag), XXVI -H 129 Seiten. S 98.-. Wer kennt hierzulande schon Peretz Merchav? Univ.-Prof. K. Stadler würdigt in einem Nachwort zum vorliegenden Band Leben und Werk des Verfassers, dem der Bundespräsi dent 1976 den Berufstitel Professor verlieh. Paul Marchfeld - so die deutsche Namensform - wurde 1913 in Wien geboren und verbrachte hier auch seine Jugend. Zwei Bewegungen prägten ihn schon in frühen Jahren für immer: der Zionismus und der Austromarxismus, um deren Ausgleich er ein Leben lang rang. Der überzeugte Sozialist verfiel jedenfalls rue ei nem jüdischen Chauvinismus! Seit 1934 lebte er dauernd in Israel, war viel auf Reisen, rastlos tätig als Kibbuzleiter und führender Ftmktionär in der israelischen Arbeiterpartei und schuf sich einen Namen als gewandter Journalist und als geistvoller Historiker der Arbeiterbewegung. Sein letztes, großangelegtes Werk über den Linkssozialismus konnte er nicht mehr vollenden. Er starb 1978. Die hinterlassenen Bmchstücke, erweitert um zwei thematisch verwandte Auf sätze, gab die Leitung des Boltzmann-Instituts in Buchform heraus. Dr. H. Konrad bemüht sich in einer gründlichen Einleitung, Begriff und Stellenwert des Linkssozialismus zu bestimmen. Es handelt sich demnach bei dieser Variante des Marxismus um eine Reaktion auf Revisionismus und Reformismus in den sozialdemokratischen Parteien (Beschränkung auf Verbesse rung der sozialen Lage der Arbeiter im Rahmen der nicht emsthaft in Frage gestellten bürgerlich-kapitalistischen Ge sellschaft), der Linkssozialismus betont die dialektische Ein heit von Reform und Revolution, sein Hauptanliegen ist, die sozialdemokratisch-kommunistische Spaltung zu überwin den und so einen,,dritten Weg" zur Begründung einer sozia listischen Gesellschaftsordnung zu weisen. Merchav gelang es nur noch, den Linkssozialismus in Öster reich, Deutschland, Frankreich und Italien in seinen Gmndzügen zu skizzieren. In Österreich machte der als besonders linksradikal einge stufte Austromarxismus viel von sich reden, doch war er re volutionär mehr in Worten als in Taten. Während hier die Par teieinheit geradezu zum geheiligten Prinzip erhoben imd auch gewahrt wurde, wirkte der Linkssozialismus in den an deren drei Ländern mit ungefähr gleicher Zielsetzung teil weise als oppositionelle Minderheit in der sozialdemokrati schen Massenpartei - so in Frankreich - oder spaltete sich teilweise und zeitweise ab -in Deutschland und Italien. In der Verbotszeit wirkte er als eine der aktivsten Kräfte in der anti faschistischen Untergmnd- und Widerstandsbewegung. Die heißersehnte Einheit der internationalen Arbeiterbewegung zu schaffen, mißlang ihm aber völlig. Für sozialgeschichtlich interessierte Geschichtsfreunde ein anregendes Buch, das ein recht buntes Spektmm linkssoziali stischer Strömungen der Zwischenkriegszeit widerspiegelt. Josef Krims Ernst Nowotny: Geschichte des Wiener Hofspitals. Mit Bei trägen zur Geschichte der inkorporierten Herrschaft Wol kersdorf (= Forsch, z. Landeskunde von Nö., Bd. 23), Wien 1978 (Vereinf. Landeskunde von Nö. imd Wien), 222 Seiten, 11 Abb. In mühevoller Kleinarbeit hat E. Nowotny Berge ungedruck ter und meist unbekannter Akten durchwühlt, und er darf es als sein Verdienst buchen, mit der nun vorliegenden Ge schichte des „Kaiserspitals" ein bemerkenswertes Stück Wiener Stadtgeschichte und habsburgischer Hausgeschichte der fast völligen Vergessenheit entrissen zu haben. Der Schöpfer des Spitals - verstanden im mittelalterlichen Sinn als Fürsorgeanstalt für arme bresthafte alte Leute, als Waisenheim und Krankenhaus - war Ferdinand 1. Er erfüllte eine testamentarische Verfügung seines Großvaters Maximi lian L, als er um 1545 die genannte Stiftung ins Leben rief; sie säumte den heute weltbekannten Ballhausplatz. Besonders wertvoll ist die von Nowotny entdeckte ,,Spitals ordnung" von 1551, die erste dieser Art in ganz Österreich. Sie regelte bis in alle Einzelheiten den Spitalsbetrieb, auch Aufnahmebedingimgen und Zahl der Pfleglinge: etwa 100 alte Leute und 20 Waisenmädchen sollten in der Anstalt ver sorgt werden.
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