deren Persönlidikeiten nadigesagt werden®®, deuten uns an, was wir auch anderen Quellen entnehmen können: daß der Schaunberger nach der uneingeschränkten Herrschaft in seinem Ter ritorium strebte. Der Dekan von Mattsee nahm aber nicht nur daran Anstoß. Nach Christian Gold war nämlich Graf Ulrich auch ein Ketzer. Angeblich vertrat er die Ansicht, die Seele des Menschen kehre nach dem Tode unabhängig von dem früheren Verhal ten des Verstorbenen zu Gott zurück — was einer theologischen Prädestinationslehre gleichkäme imd tatsächlich einen Gegensatz zum katholi schen Glauben darstellen würde®^. Da es sich aber um den einzigen bekannten Vorwurf der Ketzerei gegenüber dem Grafen handelt, ist ihm mit Vorsicht zu begegnen. Denn bereits der schon genannte Jcxiok Stülz hat in diesem Zu sammenhang darauf hingewiesen, daß der Graf im Wilheringer Totenbuch als Wohltäter des Klosters bezeichnet wird und somit kaum im Ge gensatz zur Kirche gestanden sein dürfte®®. Diese Tatsache schließt zwar, für sich alleine ge nommen, eine Abweichung vom katholischen Glaubensgut noch nicht aus, im Gesamtkomplex der von Christian Gold vorgebrachten Vorwürfe verliert jedoch auch diese Aussage entscheidend an Glaubwürdigkeit. Wenig wahrscheinlich ist ferner die Behauptung, Graf Ulrich von Schaunberg habe Papst Urban V. öffentlich als „den gaizzeinen vater" verspottet — offenbar ein Wortspiel mit dem Begriff des „geistlichen Vaters". Hingegen möchte ich die an gebliche Bezeichnung von Geistlichen als „die geweichten Pawem" nicht völlig von der Hand weisen. Sie könnte sehr wohl Ausdruck des schaunbergischen Adelsstolzes gegenüber den Pfarrern und Kaplänen aus niederen gesellschaft lichen Rängen gewesen sein. Im Gegensatz dazu verdient jedoch die Behauptung, der Graf habe unter vielen Krankheiten gelitten tmd sei schließ lich trotz Anwesenheit zahlreicher Priester ohne geistliche Tröstung gestorben®®, wenig Glauben. Zum Beweis sei bloß die bereits erwähnte rüh mende Eintragung im Wilheringer Totenbuch herangezogen. Der „Rufmord", den Christian Gold durch die hier wiedergegebene Charakteristik des Grafen Ulrich beging, blieb in der späteren Geschichts schreibung nicht ohne Nachwirkung. Vor allem das angebliche Ketzertum des Grafen hat es man chen, vom Gedankengut der Aufklärimg erfaß ten Historikern früherer Zeit angetan. So feierte etwa der Schweizer Johannes von Müller (t 1809) den Grafen Ulrich von Schaxmberg als einen außerordentlichen Mann, der „weit erha ben über die Religion seiner Zeit" gewesen sei, und der Tiroler Rudolf Kink (t 1864) meinte, der Graf habe die ketzerische Lehre des mittel alterlichen Mystikers Heinrich Seuse „mit heidni scher Deutung" übernommen und pantheistischen Grundsätzen gehuldigt®®. Beide Forscher, so können wir heute sagen, deuteten dabei die Aussage des Mattseer Annalisten in unzulässiger Weise. Kink dehnte darüber hinaus den Vorwurf der Ketzerei auch auf ein weiteres Mitglied der schaunbergischen Familie aus, nämlich auf deit Grafen Leutold. In diesem Falle genügte offenbar die Tatsache, daß der Schaunberger, der übrigens geistlichen Standes und Dompropst von Freising war, politisch zum Anhang des Kaisers Ludwig des Bayern zählte, der seinerseits in scharfem politischen Gegensatz zu Papst Johannes XXII. stand. Für eine „freigeisterische" Gesinnung des Beispiele bietet Hageneder, Grafschaft 232, Anm. 136. " Annales Matseenses a. a. O. 833: „CJui tenens unam hereticam opinionem, dixit Deum omnipotentem esse et vivere; set corrupto ac mortuo homine, spiritum ad ipsum regredere sive nudum, sive labe infectum, et non secundum opera hominum". — Herrn Prof. DDr. Karl Rehberger (St. Florian) danke ich für hilf reiche Auskünfte zur Deutung dieser Stelle. Jodok Stülz, Lieber den Grafen Ulrich von Schaun berg, den angeblichen Erzieher des Herzogs Rudolf IV. von Österreich (Archiv f. Kunde österreichischer Ge schichtsquellen 8,1852) 328 f.; ders., Geschichte 42 f. Annales Matseenses a. a. O. 833: „Et licet idem Ulricus comes habundaret in temporalibus, tamen ipse multas patiebatur inflrmitates; et quia clerum Semper stududt molestare, digne meruit eorum postremo solatio non gaudere; et obiit sine omni confessione, contritione et sancta eucharistia, dummodo multi sacerdotes fuerint presentes seu sibi in fine assistentes ...". '"Über beide Ansichten referiert kritisch Stülz, Ueber den Grafen Ulrich 325 ff. Über Müller siehe Bio graphisches Wörterbuch zur deutschen Geschichte 2 (bearb. v. Karl Bosl, Günther Franz, Hanns Hubert Hofmann, 1974) Sp. 1956 ff., über Kink siehe öster reichisches Biographisches Lexikon 1815 — 1950, Bd. 3, S. 334.
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