OÖ. Heimatblätter 1979, 33. Jahrgang, Heft 3/4

der Indexdifferenzen kann zweifellos abgeleitet werden, daß zwisdien den hier diskutierten Sied lungsformen deutliche Unterschiede in der Be völkerungsdynamik bestehen. Die Geschlossenen Siedlungen konnten sehr frühzeitig einen mar kanten Entwicklungsvorsprung erzielen, die Kleinst- und Streusiedlungen weisen insgesamt in nahezu allen besprochenen Pericjden erheblich niedrigere Zunahmeraten oder stärkere Ab nahmeraten auf. Sucht man zu bestimmen, ab welcher Periode signifikante Unterschiede in den Entwicklungstrends festgestellt werden können, dann bietet sich als statistisches Testverfahren wieder der U-Test an. Eine für die drei Test bezirke getrennt durchgeführte Berechnung, bei der für jede einzelne Pericwle die Indexdifferen zen der Geschlossenen Siedlungen mit jenen der Gemeinden und Gemeinderestanteile verglichen wurden, erbrachte das übereinstimmende Ergeb nis, daß die Unterschiedlichkeit dieser Siedlungs formen für die Perioden 1923—1951,1951—1961 und 1961—1971 mindestens auf dem 5-ProzentNiveau gesichert ist. Die Werte der Indexdiffe renzen der besprochenen Siedlungsformen ent stammen in den drei genannten Perioden also un terschiedlichen Grundgesamtheiten, wobei die Geschlossenen Siedlungen jeweils die weitaus hö heren Werte aufweisen. Läßt man, wie in der Vorbemerkung ausgeführt, überdurchschnittlich hohe Bevölkerungszunahmeraten als Indikator für den Urbanisierungsprozeß gelten, dann kann aus der hier angeführten Berechnung — bei aller Vorsicht, die immer dann angebracht ist, wenn ein komplexer Prozeß durch einen einzelnen Pa rameter erfaßt werden soll — die Vermutung ab geleitet werden, daß der Urbanisierungsprozeß im Untersuchungsgebiet und in den zwei Ver gleichsbezirken in der Periode von 1923 bis 1951 eingesetzt hat, wobei auch kleine Mittelpunkt siedlungen erfaßt wurden. Dieses Ergebnis stimmt gut mit Untersuchungen zur Geographie der Kleinstadt überein. Als für diese Siedlungs form typische Periode stärksten Bevölkerungs wachstums wird in verschiedenen Studien über einstimmend die Zeit von 1939 bis zur Gegen wart genannt (vgl. z. B. E. Grötzbach, 1963, S. 31-33 oder M. Thierer, 1973, S. 127). 5. Die Determinanten der Bevölkerungs entwicklung seit 1951 Die bisher durchgeführte Interpretation der Be völkerungsentwicklung bezog sich auf die kom plexen Größen Bevölkerungszunahme und Bevöl kerungsabnahme. Die Bevölkerungsentwicklung ergibt sich aber als Saldenwert aus der oft gegen läufigen Wirkung der Bestimmungsfaktoren „na türliche Bevölkerungsbewegung" und „Wande rungsbewegung". Erst die Kenntnis von Ent wicklungsrichtung und Entwicklungsintensität dieser Bestimmungsfaktoren vermag einen aus reichenden Erklärungsrahmen für die Verände rung des Bevölkerungsstandes zu gewährleisten. Die natürliche Bevölkerungsbewegung einer Raumeinheit ergibt sich als Saldenwert aus dem Zusammenspiel von Geburtenhäufigkeit und Sterblichkeit, die ihrerseits von sozialökonomi schen, religiösen, demographischen und medizi nisch-hygienischen Faktoren bestimmt werden. Die Wanderungsbewegung setzt sich aus den Teilfaktoren Zuwanderung und Abwanderung zusammen, die durch individuelle Wanderungs entscheidungen ausgelöst werden. Auch die Wan derungsentscheidungen sind vom sozialökonomi schen Status, von Wertvorstellungen und dem Anspruchsniveau der betroffenen Bevölkerung sowie von Wanderungszwängen (Krieg, Flucht, Vertreibung, Unterdrückung) abhängig und orientieren sich vorwiegend an Arbeits- und Wohnmöglichkeiten (vgl. z. B. H. H. Blotevogel und P. Schöller, 1978, S. 14—18, besonders Abb. 1). Die amtliche Statistik Österreichs bietet erst seit 1951 die Möglichkeit, wenigstens den Teilfaktor der natürlichen Bevölkerungsbewegung in den hier durchzuführenden Analysen zu berücksichti gen. Die Wanderungsbewegung wird von der Statistik nur als rechnerisch ermittelte Restgröße erfaßt und als „errechnete Wanderungsbilanz" (Differenz der Bevölkerungsveränderung einer Periode zum Saldo der natürlichen Bevölkerungs bewegung) ausgewiesen. Die Teilfaktoren Zu wanderung und Abwanderung werden leider nicht erfaßt, so daß keinerlei Aussagen über die Mobilität der Bevölkerung möglich sind. Die gleiche errechnete Wanderungsbilanz kann ja bei sehr geringer oder sehr hoher Mobilität zu-

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