Herbergsuchen Brauchtumsaufnahme im Unteren Mühlviertel Von Gerald E g g e r Mit 5 Abbildungen, 1 Textbild und 1 Kartenskizze Die Gedanken, Vorstellungen und Bräuche in der Adventzeit beziehen sich sowohl auf das heilsge schichtliche Ereignis des Kirchenjahres als auch auf unser zeitliches Dasein und unsere menschlidien Schicksale. Der ursprüngliche Sinn des Brauches der Herbergsuche*^ liegt im Ausdrudc religiösen Empfin dens in der vorweihnachtlichen Zeit und im Mit erleben des Evangeliumsberichtes. Dieses menschliche Mitfühlen gilt vor allem Maria, der gesegneten Gottesmutter in der Zeit der Erwar tung. Für das göttliche Kind suchen Josef rmd Maria Herberge. Erbarmungslose, hartherzige Menschen verweigern ihnen Obdach und ver schließen die Tür. Dadurch wird bis in unsere Zeit herauf tiefes Mitleid erweckt, und jeder Gläubige wünscht sehnlichst, das heilige Paar bei sich aufzunehmen und zusätzlich freiwillige Sühneopfer im Alltags- und Berufsleben in Form von Entbehrungen zu bringen und Taten der Nächstenliebe — insbesondere an Notleidenden — zu setzen. Somit soll diesen heiligen Personen im Geiste zuteil werden, was ihnen im Leben nicht gegeben wurde, und so trägt eine Gruppe von neun Per sonen ein Bild der Gottesmutter, der Heiligen Familie, in den neun Tagen vor Weihnachten von Haus zu Haus, von Familie zu Familie, wo es über eine Nacht und einen Tag beherbergt wird. Damit pflegt dieser Brauch im weiteren Sinne ein auch wirklichkeitsnahes, praktisches Christentum, Gerade Kriegs- imd Nachkriegs zeiten zeigen immer wieder Not und Elend Hei matloser und ObdacRsuchender und lassen so die Härte und Bitterkeit von Bethlehem neu auf leben. Dies führte auch menschlich zum Entste hen und Wiederbeleben des Brauchtums in der Zeit des Zweiten Weltkrieges und der Nach kriegsjahre bis in unsere unmittelbare Gegen wart herauf (siehe hiezu Verbreitungskarte!). Da es kaum jemals eine Zeit geben wird, die über das allgemein menschliche Leid hinauswach sen könnte, wird auch diese Volksandacht des Herbergsuchens als christlicher Brauch in seiner Symbolik immer gegenwartsnah bleiben. Auch wird die Einkehr Mariens als Glück und Segen für Haus und Hof empfunden, wenngleich sich dies im Untersuchimgsgebiet brauchtümlich nicht ausdrückt und es nicht üblich ist, daß der Beherberger die Überbringer des Bildnisses zu Ehren Mariens bewirtet^. Der Kultgegenstand ist in den meisten Fällen ein Farbdruck-Bild, das die Hl. Familie darstellt, manchmal zeigt das Bild auch die Muttergottes allein'^. Südlich der Riedmarkstraße konnte ich auch Marienstatuen (z. B. Lourdes-Madonna), sogenannte „Grotten", feststellen, die aber in der eigenen Stube aufgestellt bleiben und nur im Kreise der Familie verehrt werden (siehe 3. Form, Abb, 4). Träger und Seele dieses Brauches sind einige treue, gläubige und demütige Männer, Frauen und auch die Jugend, die das Herbergsuchen mit innerer Anteilnahme und Hingabe betreiben. In größeren Orten, in Orts- und Marktpfarreien, geht die Anregung zumeist vom Pfarrhof aus, und in den meisten Fällen sind es hier ältere Frauen, Frauen der Katholischen Aktion, Pfar rerköchin, Mesnerleute und seit 1956 auch die Katholische Landjugend, die diesen Brauch pfle gen, zu erhalten und zu verbreiten bemüht sind. Der INeg des Herbergsuchens nimmt in den Pfarrorten zu Beginn der Vorweihnachtsnovene am 15. Dezember beim Aveläuten in der Regel von der Kirche seinen Ausgang. Die Reihenfolge, in welcher das Bild von Haus zu Haus bzw. Hof zu Hof getragen wird, ist zumeist traditionsge- ' Auch „Frautragen" (Salzburg), „Joseftragen" (Steier mark), „Bildtragen" (Kärnten). Beleg für Oberösterreich in: Heimatgaue, 9. Jg., Linz 1928, S. 85 f., E. Burgstaller, Inst. f. Landeskunde, Rundfrage betr. Oö. Ders.: Das Herbergsuchen. Heimatland, Linz, Dez. 1955, S. 90 f. ® Wie dies z. B. in Weyer an der Enns und Gaflenz der Fall ist. Mit dem Frautragen (Salzburg) ist auch der Glaube an ein gesegnetes Jahr und eine gute Ernte verbunden (R. Wolfram, Das Frautragen, 3. Be richt von der Brauchtumsaufnahme in Salzburg). Vorchristliche Formen: Nerthusumfahrt, Tacitus (Ger mania, cap. 40). Ebenso winterliche Umfahrt des Freysbildes in Schweden als Vorbedeutung für ein fruchtbares Jahr. ' In Salzburg (Gasteinertal) Marienbild als virgo gravida mit dem Christusmonogramm IHS auf Ma riens Leib geschrieben (n, Ang. v. K. Adrian und R. Wolfram i. ÖVA, 4. Lief.). Derartige Bilddarstellungen auch in Oberösterreich, so im Linzer Schloßmuseum und im Heimatmuseum in Obernberg am Inn.
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