OÖ. Heimatblätter 1979, 33. Jahrgang, Heft 3/4

Das Wilheringer Weihnachtsspiel Von Helmut Z ö p f 1 Mit 5 Abbildungen Im Stiftspark von WiUiering wird in unregel mäßiger Folge an einem der Adventssonntage ein etwa einstiindiges Weihnadits spiel auf geführt. Die Spielorte für die drei Szenen sind über den ganzen Park verteilt, der zu diesem Anlaß mit Kerzen und Fackeln festlich erleuchtet wird. Das Publikum wandert mit den Spielern von Spielort zu Spielort. Daß es in Wilhering zu einer derartigen Wi«lerbelebung der mittelalterlichen Spielform des Pro zessionsspieles kommen konnte, ist dem Zusam mentreffen einiger glücklicher Umstände zu dan ken. Obergärtner Alois Winkler — der Initiator Der heute sdion lange pensionierte Obergärtner Alois Winkler ist ein theaterbegeisterter Mann. Während seiner Ausbidung an der Gartenbauschide in Wien hatte er Kontakt mit der akade mischen Abstinenzlergruppe „Quickborn". Diese veranstaltete jedes Jahr eine Weihnachtswande rung von Wien nach Klosterneuburg. Im Zuge dieser Wanderung wurden einzelne Szenen aus dem biblischen Geschehen der heiligen Nacht ge spielt und auch irgendwo im Wald ein Bäumchen mit Kerzen geschmückt und Weihnachten gefeiert. Den Abschluß der Wanderung bildete der Be such der Christmette in Klosterneuburg. Als nun in den dreißiger Jahren Winkler, inzwi schen erfolgreicher Leiter der Stiftsgärtnerei in Wilhering, zum Obmann des Christlichdeutschen Turnvereins gewählt worden war, suchte er nach einer sinnvollen Betätigung für die Jugend, die über das Turnen hinausging. Es ist bei dem schauspielerischen Talent Winklers, das er von seinem Vater geerbt hatte, nicht weiter verwun derlich, daß er dabei auf das Theaterspiel stieß. Die gärtnerische Liebe zu „seinem" Stiftspark tat ein übriges. So kam es 1935 zur ersten Auffüh rung eines Weihnachtsspieles im illuminierten Stiftspark in der Form eines Prozessionsspieles. Winkler betont allerdings, daß damals ein ande rer Text als der heutige gespielt wurde. Dieser ursprüngliche Text sei, so Winkler, in den März tagen 1938 verlorengegangen. Der heute ge spielte Text muß allerdings auch schon vor 1938 aufgeführt worden sein^. Er stammt vom da maligen Schulleiter der kleinen Volksschule Lak ken, Alois Kührer, und trägt den Titel „Mühlviertler Weihnachtsspiel". (Lacken ist eine Pfarre des Stiftes Wilhering.) Winkler erinnert sich sehr gut an den theaterbegeisterten Schulleiter von Lacken und auch an verschiedene Aufführungen, die er dort — teilweise in Bauernhöfen, teilweise im Rohbau der Kirche und auch im Schulhaus — veranstaltete. Schulleiter Alois Kührer — Textautor und Dramaturg Kührer kannte alte Spielsammlungen und Spiel texte und hat aus diesen den Text zusammen gestellt. Es gibt diese Quellen auch an und nennt das „St. Oswalder Weihnachtsspiel" und das „Christkindlspiel vom Böhmerwald". Während es aber nun sehr viele Christkindspiele aus dem Böhmerwald gibt, ist das „St. Oswalder Weih nachtsspiel" genau definiert. Es stammt wahr scheinlich aus dem 15. Jahrhundert tmd ist in der Paillerschen Sammlung enthalten^. Kührer verwendet aber aus der Paillerschen Sammlung nicht nur das St. Oswalder Weih nachtsspiel; er bediente sich des ganzen zweiten Bandes und entnahm daraus passende Text stellen. Den Anfang der ersten Szene „Die Herbergsuche" entnahm Kührer dem aus 120 Versen bestehenden „bewegendtem Spihl von der heyligsten Herberg"^. Dort heißt es: St. Maria: Liebster Joseph, laß uns gehen, Thu mir um ein Herberg sehen. Zum Gebären kommt die Zeit. Freud und Leid trag ich im Herzen, Aber weichen muß der Schmerzen, Wenn ich siech der Engel Freud. St. Joseph; Will ja gleich um Herberg fragen. Will die Noth und Armuth klagen Allen Burgern dieser Stadt. Kührer strich aus dieser Passage die Zeilen 3 bis 6 und änderte die letzte Zeile in „Einem c Sowohl der jetzige Spielleiter, Oberschulrat Franz Gruber, als auch seine Schwester, die beide schon vor 1938 als Schauspieler dabei waren, erinnern sich sehr wohl, diesen Text damals schon gespielt zu haben. - Pailler, Wilhelm: Weihnachtslieder und Krippenspiele aus Oberösterredch und Tirol, Irmsbrudc 1881 und 1883, 2. Band. ■' Pailler, a. a. O., Nr. 379; aus dem Traunkreis und aus Steyr; Hinweis auf ein Halleiner Herbergspiel.

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