OÖ. Heimatblätter 1979, 33. Jahrgang, Heft 3/4

Berlin direkt unterstellten Reidrsgaue, der „Alpen- und Donaugaue", nachdem auch schon der Name „Ostmark"- Gaue unbequem geworden war. Gerhard Botz, durdi seinen Band über Gewalt in der Politik, den bereits in zweiter Auflage vorliegenden Band über die Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich und seine umfassenden Studien über die Sozial struktur des österreichischen Nationalsozialismus als Fachmann für die Bereiche Nationalsozialismus und „An schluß" ausgewiesen, legt nun ein zusammenfassendes Werk über Wien in den ersten eineinhalb Jahren nach dem Anschluß vor. Auch der Autor wird sich die Frage gestellt haben, ob 646 Seiten für so eine kurze Zeitspanne vertretbar sind. Sehr rasch wird man feststellen, daß diese 19 Monate eine Zeit gewaltigen Umbruches, folgenschwerster Ent scheidungen (etwa für die Juden) und erster Ausein andersetzungen nach dem Begeisterungstaumel (etwa mit der Katholischen Kirche) sind. Mehr noch: man sieht auch sogleich, daß Botz, um verständlich darzu stellen und zu argumentieren, Schwerpunkte setzen und manches — wie etwa den kulturellen und wirt schaftlichen Bereich — zurückstellen muß. Dafür sind die Problemkreise Politik, Volksabstimmung, Partei, Verwaltung, Soziales, Juden, Katholische Kirche gründ lich und umfassend behandelt. Botz schreibt gut und eindringlich. Er bringt viele Zitate, Tabellen und Übersichten. Vor allem aber gibt er hinter jedem der Groß-Kapitel eine wertende und einordnende Zusammenfassung. Mag der Band auch ausschließlich Wien gewidmet sein, das ja damals noch in manchem auch für die anderen Gaue zuständig war, so ist er für Oberösterreich auch dadurch bedeutsam, daß dort manche gebürtige Ober österreicher in maßgeblicher Funktion wirkten, wie Dr. Emst Kaltenbrunner, Hermann Neubacher u. a. Harry Slapnicka Herbert Rosenkranz: Verfolgung und Selbstbehauptung. Die Juden in Österreich 1938-1945. Wien 1979 (Verlag Herold), 399 Seiten. Der in Wien geborene Herbert Rosenkranz, der nach Ende des Zweiten Weltkrieges hier auch Geschichte stu dierte, gibt mit seinem Band über das Schicksal der österreichischen Juden 1938—1945 die erste große und sorgfältig belegte Zusammenfassung. In Jerusalem gesammelte Quellen werden dabei ebenso berücksich tigt wie österreichische. Die Fülle des erfaßten und ver werteten Materials ergibt ein gewaltiges Mosaikbild, das natürlich die Gefahr in sich birgt, daß die großen Entwicklungszüge dieses Dramas oft nicht in ihrer gan zen Schwere erkannt werden. Der Band ist verständlicherweise zeitlich gegliedert. Schwerpunkt ist die Entwicklung in Wien und im Bur genland, wo rund %o aller österreichischen Juden lebten. Weitere inzwischen getätigte Forschungen von Rosen kranz in den österreichischen Bundesländern werden zweifellos noch einen ergänzenden wichtigen Band ergeben. Trotzdem sehen wir schon in diesem Band auch für Oberösterreich wertvolle Hinweise. Die eher bescheidene Bedeutung des Judentums ist nicht nur auf Grund der Volkszählungsangaben erkennbar, sondern auch aus dem Hinweis des Autors, daß den beiden israelitischen Kultusgemeinden Oberösterreichs 31 weitere — so allein 15 in Niederösterreich und 10 im Burgenland — gegen überstehen; ähnlich ist auch das Verhältnis bei der Zahl jüdischer Vereine. Über die „Reichskristallnacht von Linz werden ein paar wertvolle ergänzende Mitteilungen gemacht. Nicht uninteressant ist auch ein Hinweis auf eine Rede Eigrubers in Gmunden, das Konzentrations lager Mauthausen habe Oberdonau wegen seiner großen Verdienste für die Partei erhalten. Der für Oberöster reich wichtigste Hinweis ist der, daß die Linzer Gestapo im Juli 1938 die Abschiebung von 600 Juden veranlaßte, weshalb diesen bevorzugte Auswanderungsmöglichkei ten geschaffen werden sollten. Auch die Hinweise über die in Oberdonau befindlichen Arbeits- und Umschu lungslager (Dopl, Münichholz, Mitterweißenbach, Traunsee) sind wesentlich. Interessant sind auch Bemerkungen über verschiedene aus Oberösterreich stammende Per sonen, so insbesondere über Eichmann, Neubacher und Kaltenbrunner, wobei der Hinweis „der aus dem CV kommende Kaltenbrunner" nicht stimmt. H. Slapnicka Emst Hanisdi: Der kranke Mann an der Donau. Marx und Engels über Österreich. Wien 1979 (Europa-Verlag), 433 Seiten. Ln. S 368.—. Zu der Fülle der Marx-Literatur und zu der großen Menge der Bände über den österreichischen Vormärz, die Revolution von 1848/49 und den Neoabsolutismus kommt ein neues Werk. Der Salzburger Historiker Univ.-Dozent Hanisch hat in einer sehr sorgfältigen Arbeit all das zusammengetragen, was Marx und Engels über Österreich und über Österreicher geschrieben haben. Das gibt zweifellos neue Aspekte, neue Wertungen. Wenn aber im Klappentext davon die Rede ist, „die pointiert zugespitzten, zum Teil recht boshaften Bemer kungen von Marx und Engels über Österreich demaskie ren den vorherrschenden Habsburg-Mythos", so bestä tigte der Band-Inhalt dies keineswegs immer. Die „nega tiven Ressentiments", die übrigens nicht nur Österreich, sondern fast noch schärfer etwa die Tschechen betref fen, sind keineswegs nur abgewogene Urteile eines Ideologen; in ihnen steckt ein rechtschaffenes Stück deutscher Überheblichkeit; sie sind auch Produkt eines schlampigen, nicht umfassend recherchierenden Journa listen, der sich oft genug auf die massive Propaganda ungarischer Emigranten verläßt. Hanischs Buch ist gut und wertvoll. Es zeigt, daß ein Habsburger-Mythos ebenso wenig am Platz ist, wie ein Marx-Mythos. H. Slapnicka Gustav Otruha: Wiener FlugsAriften zur Sozialen Frage 1848. 1. Arbeiterschaft, Handwerk und Handel (= Materialien zur Arbeiterbewegung Nr. 9). Wien 1978 (Europa-Verlag), LVI+246 Seiten mit vielen Textbildem.

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