OÖ. Heimatblätter 1979, 33. Jahrgang, Heft 1/2

und Spielgut auch der Humor nicht zu kurz. Ein Hauptbestandteil des Humors war der Spott. In der handwerklichen Hierarchie Lehrling, Ge selle, Meister, war der Jüngste am meisten dem Spott ausgesetzt. Dieser Spott war nicht mu: verbal, sondern manchmal auch handgreiflich. Einige der „Aufsitzer" mit Wasser, Mehl, Ruß, Eiern usw., die ich in den „Mühlviertler Volksspielen"^^ beschrieben habe, waren ursprünglich wohl solche Handwerkerspiele. So wurde der Lehrling z. B. mit Wasser getauft, mußte unter der Bank durchkriechen oder die Schuhe und Kleider wechseln und bekam zum Abschluß der Lehrzeit noch eine Ohrfeige, damit er die Lehr jahre nicht aus dem Gedächtnis verliere. Diese Initiationsbräuche wurden mit dem Ausdruck „Hänseln" bezeichnet, unter dem wir heute nur noch sekkieren, verspotten verstehen. Das Wort soll aus der hanseatischen Handlungskompagnie in Bergen (Norwegen) stammen, es bedeutet, einen Lehrling „durch Vexationen"^® hansisch machen'®. Freilich konnten damals meist nur die anderen über solche Späße lachen. Der Lehrling selbst hatte in der Lehrzeit wenig zu lachen. Wie er sich fühlte, zeigt ein Vierzeiler, der uns aus Linz geschickt wurde: „Friah auf und spat nieda, / Iß g'schwind imd lauf wieda! / Schwarz' Brot imd nia koan Wein, / Da Teufel kann da Lehrbua sein!"'^ Er konnte sich nur mit Spottliedem und Spottreimen auf Gesellen, Meister und Meisterin rächen, oder für sein eigenes Hand werk Spottnamen erfinden. Nestroy, zu dessen Zeit der Handwerksstand schon an Substanz ver loren hatte und das Industriezeitalter herauf dämmerte, hat den Personen in seinen Stücken oft solche Spottnamen gegeben. Er nennt den Schneider „Zwirn", den Schuster „Knieriem", einen Wirt „Pantsch", einen anderen „Strudl", einen landwirtschaftlichen Pächter „Krautkopf" usw. Aber die meisten Spottlieder aus der Berufswelt sind eigentlich Abwehr- und Trutzgsangl gegen über einem anderen Berufsstand und entstanden ursprünglich unter den Wandergesellen. Der frisch gemachte Geselle mußte sich nämlich auf die Wanderschaft begeben, um dabei seine Welt erfahrenheit und seine beruflichen Kenntnisse zu bereichern. Als Wandergeselle traf er in den Herbergen auch Angehörige anderer Berufe. Von ihnen wurde er, bzw. sein Beruf, mit Spottliedern angegriffen. Er mußte mit Liedern und Reimen sein eigenes Handwerk verteidigen. Gleichzeitig griff er die anderen an'®. Manches von diesem Sprach- und Liedgut findet sich nur noch in den Kinderreimen xmd Kinder liedern, allerdings meist verstümmelt rmd ohne Gespür für den Zusammeidiang. Ich erinnere an das Schaukelspiel „Müller, Müller, Sackerl"'®, an das Meidungs-Spiel „Haftelmacha, Pinslmacha"®® oder an das Fangspiel „Schneider, leih ma d'Schar!"®'. Freilich wurde nicht alles von Erwachsenen über nommen, sondern ist vieles auch unter Kindern selbst entstanden. Oft war es reine Freude an der sprachlich-rhythmischen Kopierung der Ar beitsgeräusche, die zu solchen Reimen anregten, wie z. B. in „Zimmermann, hack am Bam" oder in „Binder, bum, bum, 's Faßl fallt um"®®, bei denen man die einzelnen Hiebe des Beiles bzw. das Klopfen des Binders direkt herauszuhören vermeint. Die Kinder ahmen und spotten aber nicht nur gern nach, ihnen macht der Spott an sich schon Spaß, besonders dort, wo er sich gegen Kamera den oder gegen Erwachsene xmd sogenannte Autoritäten richten kann. In ihm äußern sich dann häufig Kritik und Widerstand, die zur c* O. Kampmüller, Mühlviertler Volksspiele. Linz 1964, S. 51 ff. " Vexation = Quälerei, Neckerei; vexieren = irreführen, quälen, necken. " O. Schade, Über Jünglingsweihen. 1857; hier zitiert aus Richard u. Klaus Beitl, Wörterbuch der deutschen Volkskunde. 3. Aufl., Stuttgart 1974, S. 329. " Vgl. dazu auch: Adalbert Riedl und Karl M. Klier, Lieder, Reime und Spiele der Kinder im Burgenland. Eisenstadt 1957, S. 173. Vgl. dazu; O. Sdiade, Vom deutschen Handwerksleben in Brauch, Spruch und Lied. In: Weimarisches Jahr buch 4 (1856). — D. Rowald, Brauch, Spruch und Lied der Bauleute. 2. Aufl., 1903. — H. Berg und K. Hering, Handwerkslieder aus alter Zeit. 1927. — J. Westphal, Der singende Wandergesell. 1931. — L. Röhrich und R. W. Brednich, Deutsche Volkslieder. 2. Aufl., 1967. " Mit Noten wiedergegeben in: O. Kampmüller, Ober österreichische Kinderspiele, a. a. O., S. 51. O. Kampmüller, Oberösterreichische Kinderspiele, a. a. O., S. 197. " Ebenda, S. 151 f. Ebenda, S. 20 und S. 76.

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