OÖ. Heimatblätter 1979, 33. Jahrgang, Heft 1/2

Spott in oberösterreichischen Kinderreimen und -liedern Von Otto Kampmüller Mit 11 Notenbeispielen Lieder und Reime, in denen Eigenarten und Ge brechen einzelner oder ganzer Gruppen verspot tet werden, gehören bei allen Völkern zu den ältesten Bestandteilen ihrer Liedüberlieferung. Spottlieder sind auch heute noch sehr verbreitet und sehr beliebt. Es hat uns daher nicht gewun dert, daß audi bei unserer Erhebung oberöster reichischer Kinderreime, -lieder und -spiele^ die Gruppe „Spott" von unseren Mitarbeitern, hauptsächlich oberösterreichischen Schülern, am reichhaltigsten beschickt wurde. Mit großer Freude necken sich Kinder imtereinander, oder sagen Reime nach, mit denen Erwachsene verspottet werden, oder spotten selbst mit ihren Reimen und Liedern Aussehen, Ausdrucksweisen und Arbeiten der Erwachsenen nach, wie z. B. im Spottreim „Schuster wix wix", womit ursprünglich nichts anderes als das Durch ziehen des Schusterzwirns durch das Sdiusterpech lautlich nachgeahmt wurde. Oft aber ist es nur die Freude am Reim, wie etwa bei „Annamirl — Katzeng'schirrl", die die Beliebtheit dieser Gruppe bewirkt. Viele der angeführten Reime waren ursprünglich „G'stanzl" oder „Schnadahüpfl"®, und sicherlich hat sich hier einiges Volkstümliche aus der Welt der Erwachsenen im Sprach- und Spielgut der Kinder bewahrt. Die Trermung zwischen Spott der Erwachsenen xmd Spott der Kinder ist nicht immer leicht, denn sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen hat Übermut und Spott auch die Funktion eines Ventils, um überschäumende Lebensfreude und -kraft ausströmen zu lassen®. Immer schon haben sich Erwachsene und Kinder mit Spott Luft gemacht, abreagiert und von ihren Ängsten befreit. So sind schließlich Satire, Witz und Karikatur entstanden. Vom gutmütigen Humor zur bösartigen Beleidigung ist auch beim Kinderreim und -lied oft kein großer Schritt. Allerdings überwiegen in unserer Sammlung die weniger aggressiven Äußerungen. Die Fülle des Vorliegenden hat eine Beschrän kung notwendig gemacht. Wir mußten in dieser Abhandlung den Spott in „Neckmärchen und lustigen Erzählschlüssen", in „Scherzantworten und Zwiegesprächen", in den „Lügenmärchen", in den „Stabreimen, Schnellsprechübungen und anderen Sprachscherzen" außer acht lassen. Diese Abschnitte werden zu anderer Zeit publi ziert werden. Hier haben wir tms nur auf Orts neckereien, Namensspott und Berufsspott be schränkt. ORTSNECKEREIEN Diese Spottreime und -lieder wurden ursprüng lich dort gesungen oder einander zugerufen, wo bei geselligen Veranstaltungen oder zwang losem Beisammensein im Wirtshaus die Bewoh ner versdiiedener Orte aufeinandertrafen. Hier äußert sich manchmal eine gewisse Rivalität zwischen benachbarten Städten oder Orten: Wels is a Stadtl Und Linz is a Stadt; Z' Wels essen s' 's Bratl Und z' Linz in Salat. Mehrmals wurde der Reim auch mit den beiden Stadtnamen Wien und Linz eingesandt, wobei dann Linz die bratl-essende, bevorzugte Rolle spielte. 2 Z' L i n z auf da Bruck Liegt a Goaßbock in Ruck, Warm man' fragt, wen a g'hört. Sagt er: in Wirt z'Helfenberg. Haslach 3 In Linz am Stadtplatz Brennt 's elektrische Liacht, Daneben habn s' a Kerz'n, Daß ma 's Elektrische siacht. Lichtenberg ' Nähere Hinweise auf diese Erhebung finden sich bei: O. Kampmüller, Oberösterreichische Kinderspiele. Linz 1965, S. 7 ff. — O. Kampmüller, Oberösterreichische Wiegenlieder. In: Oö. Heimatblätter, 30. Jg. (1976), H. 3/4, 5. 173. — O. Kampmüller, Pflanzen und Tiere in oberösterreichischen Kinderreimen, -liedern und -spielen. In: Oö. Heimatblätter, 31. Jg. (1977), H. 3/4, S. III. ® Georg Stibler (Einiges über oö. Volksweisen. In: Hei matgaue, Linz 1934, S. 1) nennt das eigentliche Volks lied des Oberösterreichers den Spottgesang, das vierzeilige sogenannte „Schnadahüpfl", „dieses sei der Kristall seiner mannigfachen Lebensempfindung und schon das Kind lalle es beim sorglosen Spiel". — Vgl. dazu auch: K. Beitl, Das Schnadahüpfl. In: Handbuch des Volksliedes, hrsg. v. R. W. Brednidi u. a., Bd. 1 München 1973. ' F. G. Jünger, Die Spiele. Ein Schlüssel zu ihrer Bedeu tung. Frankfurt a. M. 1953, S. 161: Die Sorbonne ver-

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