OÖ. Heimatblätter 1979, 33. Jahrgang, Heft 1/2

Das bewegte Innenleben der menschlichen Gefühls- und Empfindungswelt findet seine Ausdrucksform in Klang und Rhythmus, in Gesang und Tanz. Im Volkstanz bedeutet er eine Art Selbstdarstellung in der Gemeinschaft des Gewachsenen und Bodenstän digen. Seit Generationen überliefert, von nachfolgenden Geschlechtern geformt, der Umwelt angepaßt und vom Volke bewahrt, ist der Volkstanz ein Hauptglied leben digen Volkstums und in seiner bescheidenen Anmut, seiner Schlichtheit und seinem Formenreichtum ein wert voller Teil unserer Volkskunst. Er hat sich im eigenen Lebensraum bewährt, kommt aus der Gemeinschaft und schafft gerade als Gruppen tanz enge gemeinschaftliche Bindungen. Auf das Ursprüngliche im Menschen gerichtet, aktiviert er die musischen Kräfte, die im gemeinsamen, im fest lichen und geselligen Brauch ihren Ausdruck finden. Es geht gerade bei den hier angeführten Bauemtänzen in keiner Weise um Perfektion, Schau oder Wettbewerb. Wenngleich die formalen Elemente der hier üblichen Tänze in Schritt und Figurenart in den übrigen Landes teilen und darüber hinaus ihre Entsprechungen haben, so ist doch jedem Teil, selbst dem relativ kleinen des Untersuchungsraumes, ein eigener, imnachahmlicher Bewegungsstil eigen. Dieser äußert sich im Musika lischen, der Einheit von Melodie und Bewegung, in der Rhythmik des Taktes, im Reichtum von Bewegung und Formen sowie in dem im Gemütsbereiche wurzelnden Tanzideal. ' Der Schioerttanz war wohl auch im Norcien des Unteren Mühlviertels, im Grenzgebiet von Leo poldschlag, wo ihn die heimische Schriftstellerin Susi Wallner zu Ende der Zwanziger]"ahre auf zeichnete^, anzutreffen. Richard Wolfram schrieb in „Schwerttanz und Männerbund®" ausführlich über diesen religiös kultischen Mäimertanz. Es ging hiebei ursprüng lich rücht um die Freude an rhythmischer Bewe gung, sondern tun die Lust des Mannes am ehr lichen Wettstreit. Der einst tiefere seelische Ge halt dieses in die germanische Vorzeit zurück reichenden® Kulttanzes räumt ihm im Vergleich zu den übrigen Tänzen unseres Jahrhunderts wohl eine Sonderstellung ein. Mag er bis in die jüngste Gegenwart herauf zum brauchtümlichen Schautanz, zu heiterem Spiel mit Spottversen abgeschwächt worden sein, so stehen heute seine ursprüngliche Bedeutung im religiös-kultischen Sinne cmd sein kulturhistorischer Wert außer Zweifel. Diese Schwert-Kriegstänze, verbunden mit blutiger Herausforderung, sind im Schwert tanz des 20. Jahrhunderts noch klar erkennbar. Im Untersuchimgsgebiet, imd zwar in der Um gebung von Freistadt, wurde im Fasching 1932 der Schwerttanz zum letzten Male öffentlich auf geführt^®. Das „Mühlradltreibn" ist im Gebiet von Weitersfelden ein beliebter Männertanz, den eine Gruppe von sechs bis acht Männern gestaltet (Abb. 3). Auch von den dortigen Schülern wird er in den Pausen und Turnstunden eifrig betrie ben. In ihm sehen wir das Beispiel einer Tanzumdeutung. Er mag wohl in alten Glaubensvor stellungen wurzeln und in den Bezeichnungen „Radbohren" und „Radnabbohren", wie sie in Niederösterreich und Kärnten üblich sind, die altertümlichste Form bewahrt haben. Hat man doch einst mittels eines Rades das krafterfüllte sogenannte Notfeuer gebohrt, durch das man bei Viehseuchen das gefährdete Vieh zum Schutz imd zur Reinigung durchgetrieben hatte. Des Feuers Schein und Wärme wurde zum Abbild des großen Himmelsfeuers, der Sonne, gemacht. Für die Menschen früher Zeiten galt das sich drehende Vierspeichenrad als sinnträchtiges Bild von Sonne imd Weg''. „Griaß di Gott, pfiat di Gott' nennen die Weitersfeldner die Figur des Handwerfens, wie sie Karl Horak in Hinter-Thiersee im Agattanz auf gezeichnet hat. Auch „Kette" (chaine) nennt man sonst das abwechselnde Händereichen und Durch einanderschlängeln beider Kreise ohne ge schlossene Kreisbildtmg'®. Weitere Gruppentänze wie der reigenförmige „Schwabentanz", das „Kerblflechten", der „Ja germarsch", der „Eckerisch-Steyreggerische" und die „Linzerpolka" bilden sehr beliebte Tanzfor men, die teils einen heiteren Partnerwechsel er möglichen, teils den gemeinschaftssMießenden Charakter annehmen. ' S. Wallner, Der neue Pflug, Wien, 1928, Dezemberheft, S. 50—55, und Heimatgaue, 10. Jg., 1929, S. 66 f. ' R. Wolfram, Schwerttanz und Männerbund, 3. Lief., Kassel 1936; R. Wolfram, Die Volkstänze in Öster reich und verwandte Tänze in Europa, Salzburg 1951, daraus: Schwerttanz, S. 80 f. ' Taciius, Germania, cap. 24, dürfte diesen Kulttanz als Schauspiel aufgefaßt haben. H. Commenda, Der Schwerttanz aus Lest-Neumarkt, Heimatgaue, 17. Jg. 1936, S. 44 f. R. Wolfram, Volkstänze, S. 64 (Angaben über Wesen und Verbreitung; Tanzbezeichnungen: Mühlrad, Mül lertanz, Radbohren, Radnabebohren, Sechsertanz, Sterndltanz). R. Wolfram, Volkstänze, S. 130.

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