Die ,,Rockaroas" im Unteren Mühlviertel Von Gerald E g g e r Mit 16 Abbildungen Die „Rockaroas" gilt als ausgesprochen bäuer liche Faschingsunterhaltung. Gerade in dieser Gemeinschaftsform bäuerlicher Unterhaltung xmd Geselligkeit vermögen sich Erzählung, Lied, Tanz und Spiel in besonders lebendiger Anschaulich keit auszudrücken. Der Name weist auf den alten Brauch der win terlichen Spinnstube^ hin, zu der sich Burschen und Mädchen nachmittags im vorher bestimmten Bauernhaus zusammenfinden. Die größeren Zu sammenkünfte in Form dieser „Rockaroasn", auch „Rockasitzn", sind im Norden und Nord osten heute noch in altertümlichen Formen ge bräuchlich. Im südlichen Bereich, im Machland und Gallneukirchner Becken sowie in der Feld aistsenke, ist seit dem Zweiten Weltkrieg diese alte und vielseitige Form bäuerlicher Geselligkeit und Unterhaltimg größtenteils verschwunden, und an deren Stelle traten die von katholischen Jugendverbänden veranstalteten Dorfabende. Diese organisierten Zusammenkünfte bäuerlicher und ländlicher Jugend beginnen also in den Orten südlich des alten Handelsweges, der alten Riedmarkstraße (heutige B 124), ins Waldviertel. Was wir im nördlichen Bereich heute noch an primären und archaischen Formen antreffen, stellt im Süden gegenwärtig Versuch und Bemü hen dar, altes Volks- und bäuerliches Überliefe rungsgut zu reaktivieren®. Wir treffen hier volks tümliches Erzählgut, Volksliedpflege, Volkstanz, Formen erneuerter Tracht, Volksliedspiele und andere gemeinschaftsformende Züge von volks kulturellem Wert an, die wohl sehr wesentlich zum Fortbestand imserer eigenvölkischen We sensart beitragen, wenngleich ihnen auf Grimd der zeitbedingten wirtschaftlichen Verändervmgen und des sozialen Strukturwandels der pri märe Kern und die echt bäuerliche Atmosphäre — wie sie Rockaroasn ausstrahlen — mangeln. Beim Großbauern des Flachlandes fehlt die enge Verflechtung des Primären mit dem Primitiven als besonderes Kennzeichen des naiven, ru:- sprungsnahen bergbäuerlichen Menschen. Es sind hier nicht die intuitiv erfaßten und im assoziativ-mechaiüschen Denken gefaßten Reime bäuerlicher Sprüche, Lieder und Gstanzl, die hier uunter den Bauersleuten, den „Buam und Mentschan" oft schlagfertig und situationsgewandt ge wechselt werden, nicht ist es hier der oft ältere Bauer, der „ 's Dirndl draht" und so den bäuer lichen Tanz mehr oder minder unbewußt weiter gibt, nicht sind es hier Bäuerinnen, noch weniger Dienstboten, die ihrerseits in ein unterhaltsames Wortgefecht geraten, nicht ist es der Altbauer „Michl", der Geister- und Hexengeschichten zu erzählen weiß und spontan aus der gegebenen Unterhaltimgs- und Gesprächssituation heraus seine volksdichterischen, wenn auch oft etwas groben und zotigen, satirischen Verse singt. Diese Dorfabende in südlichen Bereichen erhal ten ihr volkskulturelles Bildungsgut in der Regel indirekt in Kursen und Bildungsheimen ver mittelt®, das von Jugendführern und Lehrern in Märkten und Dörfern weitergegeben und ver breitet wird. In den an der historischen Besiedlungslinie^ lie genden Gemeindeorten Kefermarkt — Lasberg — St. Oswald — Weitersfelden — Unterweißenbach — Königswiesen boten sich mir in den vergange nen Jahren bis heute Rockaroasn in einer noch altbäuerlichen Form. Es sind durchwegs Ein schichthöfe, in denen wir sie noch heute antref fen können. Aus dem Jahre 1967 kann ich von zwei derartigen miterlebten Rockaroasn berich ten. Beide örtlichkeiten® liegen im Untersu chungsgebiet — 25 km horizontal voneinander entfernt — und zeigen im wesentlichen einander ähnlichen Ausdruck. Obwohl ein zeitlich geordneter Programmablauf festzustellen ist, gibt es keine feststehende Pro grammfolge. Es scheint sich alles von selbst ein zuspielen und geordnet abzulaufen. Erzählgut und Lied folgen im natürlichen Wech sel aufeinander. Ausgesprochen bodenständige Scherz- und Spottlieder sowie Gstanzl stammen aus dem östlichen wie auch aus dem mittleren ^ Siehe auch: R. u. K. Beitl, Wörtcrbudi der Deutschen Volkskunde, 3. Aufl., Stuttgart 1974, S. 761. ' Hiezu eigene Beobachtungen bei Dorfabenden in den Jahren 1965—1967 in Schwertberg, Perg, Naam (Mach land). ' Oö. Landwirtschaftskammer, Landesinstitut für Volks bildung u. Heimatpflege, Volkshochschulen u. a. * A. Hackel, Die Besiedlungsverhältnisse des oö. Mühl viertels, S. 41 (Geschichte der Besiedlung), Stuttgart 1902. ® Königswiesen: Frühwirt auf der Harlingsedt, Weiters felden: Hadd in Eipoldschlag.
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