Die „Drei Grafschaften" (Das Land im Norden der Donau) VonReinholdDro stzo1 Einleitung Das frühe Mittelalter wartet im östlichen „Baiowarien" mit dem landschaftlichen Begriff der ,,Drei Grafschaften" auf. Geheimnisvoll und doch recht bestimmt wird hier ein Schlaglicht auf die Folgezeit nach dem Abzug der Römer aus den Donaugegenden geworfen. Diese Tatsache ist so ungewöhnlich, daß sich die Forschung auch noch in diesem Jahrhundert nicht dazu bereitfinden konnte, die Existenz der „Drei Grafschaften" ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Der Bestand einer solchen Gebietseinheit wurde durch den Bericht über eine Versammlung auf höchster Lan desebene zu Beginn des 10. Jahrhunderts be kannt. Damals fanden sich an der Grenze der „Drei Grafschaften", in „Raffoltestetun" wahr scheinlich alle Repräsentanten dieses Landes der „Drei Grafschaften" ein, um vor den Vertretern des Königs über althergekommene Rechte zu be richten. Danach wurde über neue Rechte, Steuern und Abgaben beschlossen. Dieser Beschluß ist in der sogenannten „Raffelstettener Zollordnung" erhalten geblieben. F. Pfeffer hat erstmals die Bedeutung der Aussagen über die „Drei Graf schaften" gebührend und in aller Ausführlich keit gewürdigt^. Die „Drei Grafschaften" schei nen, wie darzutun beabsichtigt ist, ein Gebilde dargestellt zu haben, das in den dunklen Zeit abschnitten des frühen Mittelalters entstanden ist und Kunde davon gibt, wie bald ein geord neter Landesaufbau einsetzte. F. Pfeffer sagt, kein Land Österreichs ist in der Lage, ein so wertvolles Dokument seiner geschichtlichen Ent wicklung zu besitzen, wie dies die Raffelstettener Zollordnung von ca. 905 darstellt®. Die „Drei Grafschaften" erscheinen insgesamt als Kern landschaft der baiowarischen Entwidclung, im Anschluß an das Verlassen der Römer Noricums. Die Drei Grafschaften und die anderen Gaue „Isti et ceteri omnes qui in hiis tribus comitatibus nobiles fuerunt®." Mit diesen Worten wer den die Drei Grafschaften durch eine Urkunde der Jahre 905 oder 906 in die Geschichte ein geführt. Sie sind längst zu einem interessanten historischen Begriff geworden und hängen eng mit der frühmittelalterlichen Entwicklung zusam men. Das Gebiet der Drei Grafschaften wird we der in der sogenannten Raffelstettener Zollord nung noch sonstwo genau umrissen. Die Ur kunde läßt vom Aufbau oder Inhalt her auch keine Deutung zu, wonach die Drei Grafschaf ten z. B. weit in das Gebiet südlich der Donau hineingereicht hätten. Vertritt man den Stand punkt, im Norden der Donau war der Landes ausbau zum damaligen Zeitpunkt noch sehr schwach, kann man dieses Gebiet wiederum überhaupt aus den Überlegungen ausschließen. Diese Anschauung herrschte auch lange Zeit vor und ist heute noch nicht ganz gewichen. Trotz dem können die Drei Grafschaften nur im Donaugebiet gesucht werden, wie ebenfalls dar zulegen sein wird. Die Landeseinteilung in Bayern östlich wie west lich des Inns erfolgte im frühen Mittelalter nach Gauen. Es kann deshalb auch bei den Drei Graf schaften davon ausgegangen werden, daß sie zu einem oder auch zwei Gauen (der nächsthöheren Einteilungsgröße) gehörten. Einen eigenen Gau können sie schwerlich selbst gebildet haben, sonst wären sie als solcher bezeichnet worden. Der Rottach- und der Traungau waren die Gaue südlich der Donau, die in Urkunden dieser Zeit immer wieder genannt worden sind, im Gegen satz zu den Drei Grafschaften, die allerdings in diesem Bereich gesucht werden müssen. Wie sich die Gaue und auch die „Drei Grafschaften" gebil det haben, ist unbekannt. Deshalb kann auch nicht ermittelt werden, welche Überlegungen bei der Gaueinteilung maßgebend waren. Die Existenz dieser Gaueinteilung ist hauptsäch lich durch Schenkungsurkunden an die Kirche bekannt geworden. Diese Einteilung in Gaue war somit auch hauptsächlich bei Kirchen- oder Lan desbeamten bekannt, die im Beurkundungswesen tätig waren. Feste Bezirksgrenzen waren offen bar nicht gezogen und wohl auch nicht erforder lich. Es fand auch keine Entwicklung statt, die dies erfordert oder geboten hätte. Das Mittel alter an der Donau folgte dem Altertum ohne ' Franz Pfeffer, Das Land ob der Lnns, Veröffentlichun gen zum Atlas von Oberösterreich, Linz 1958. ^ F. Pfeffer, Das Land ..., S. 198. ' „Alle waren Edelleute (nobiles) in ihren drei Grafsdiaften", Auszug aus der Raffelstettener Zollordnung, veröffentlicht in der Urkundensammlung Monumenta Boica, künftig M. B., S. 203.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2