Band „Geschiditen" in Waldviertler Mundart („Aus ge stern und heunt") heraus. Und zehn Jahre danach er schienen (1972 in einem Klagenfurter Verlag) seine //Dorfgeschichten", der erste Band, welcher in der Schriftsprache abgefaßt war. Koppensteiner beließ aber die direkte Rede in der Mundart, wohl bedenkend, daß ein Umsetzen mundartlicher Redeweise in die Hoch sprache kaum möglich ist. Nun liegt seit Weihnachten 1978 ein zweiter Band be sinnlicher und heiterer Geschichten vor, ebenfalls in Schriftsprache. Sepp Koppensteiner beobachtete mit viel Vergnügen an ernsten oder humorigen Situationen seine nähere Umwelt, „seines Waldviertels", sammelte Erleb tes und Überliefertes (Sagenhaftes!) und zeichnete es getreulich auf. „Wir folgten daher der freurullichen Ein ladung [zur Rockaroas, d. Verf.] gerne, ich um so mehr, als ich hoffte, dort die eine oder andere gute Geschichte zu hören. Ich hatte mich auch nicht getäuscht. Die Haus frau brachte eine Geschichte, die so eigenartig ist, daß ich sie hier wiedergeben möchte", bekennt Sepp Koppen steiner in der Präambel zu „Das weiße Manderl" (S. 38). Daraus ergibt sich der Charakter der „Geschichten", die von den verschiedensten Urhebern herrühren und oft mals jahrhundertealtes Sagengut sind, versteckt in der hintersten Einschiebt. Koppensteiner fällt das Verdienst zu, sie ans Licht der Öffentlichkeit gebracht zu haben. Es darf bei dem rüstigen Achtziger Koppensteiner nicht verwundern, wenn sein Blick — erinnernd und zusam menfassend — rückwärts gewendet ist und Erlebnisse aus seinen Kindertagen (Gesehenes und Gehörtes, auch Märchenhaftes) einen breiten Raum in den Geschichten einnehmen. Sie widerspiegeln teils naiven Aberglauben, wurzelnd im täglichen Umgang mit den Naturgewalten in der Einöde, teils echte Frömmigkeit, wie sie beide durch die Bodenverbundenheit bäuerlicher Bevölkerung alltägliiche Wirklichkeit waren (oder auch heutzutage noch sind). Manche der Geschichten „Rund tun den Ne belstein" gerieten auch eher als Chronisten-Berichte über die eigene Familie und ihre Vorfahren, die Ähnln, und über Begebenheiten und Personen im Gemeindegebiet von Großpertholz und dessen Nachbargemeinden. Ihnen fehlt eine stilistische und literarische Aufbereitung, die sie aus dem Nur-Berichtenden zu wirklich spannenden und uns menschlich erwärmenden Erzählungen gestaltet hätte. Besonders unglücklich scheint mir das häufige Ineinanderschachteln mehrerer Geschichten in eine, dar geboten von verschiedenen erzählenden Personen, selbst wenn sie durch ein allen gemeinsames Thema zusam mengehalten sind. Die erste Hälfte des Bandes hätte einer gründlichen Durchsicht bedurft, was wir dem Lektorat ankreiden, das sehr sorglos mit Text und Bil dern (die nicht einmal eine Bildunterschrift erhielten und von denen eines sogar spiegelverkehrt reproduziert wurde!) verfahren ist. Es wäre für die Zukunft wün schenswert, wenn eine genannte Person für die Heraus gabe verantwortlich zeichnete. Es hätten auch verschie dene Ausdrücke ausgemerzt gehört, die aus der mund artlichen Redeweise in die Hochsprache gerutscht sind. („Seferl, die den Krampus gespielt hat, ist schon gerichtet gewesen und hat bereits ungeduldig auf mich gewartet"; gemeint ist hergerichtet, angezogen in der Verkleidung und nicht „abgeurteilt" im justifizierenden Sinne. Oder: „... aber die meiste Zeit ist er, weiß der Teufel wo, umeinander [statt umher] gestrolcht.") Solche „Schnitzer" und auch die Verwendung von Brauch tums- oder Mundartausdrücken ohne Erläuterung ärgern den Leser. Da selbst im ländlichen Raum das Brauchtum immer weniger gepflegt wird, können solche Ausdrücke nicht selbstverständlich als allgemein bekannt voraus gesetzt werden. Noch etwas; Der langatmige Sprachstil einiger Geschichten mag von den Erzählenden bei ver schiedenen Gelegenheiten (wie die Rockaroas) damals, in der guten alten Zeit (ohne Radio und Fernsehen), bei Besuchen in anderen Bauernstuben oder innerhalb der eigenen Familie, wo viel fabuliert wurde, herrühren. (Im trauten Beisammensein, bei einer guten Kaffee jause, bei der man gemächlich in der Tasse rührte oder ab und zu ein Stück Gugelhupf in den Mund steckte, war es sicher erwünscht — besonders an langen Winteraben- —, wenn die Geschichte möglichst lang dauerte). Aber als literarische Kurzform muß sie gestrafft, ge kürzt werden. Dem Leser fehlt Gesük und Mimik des Erzählenden, wodurch ein langatmiger Text — mit ,;gruseligen" Pausen noch gestreckt — für den Zuhörer er träglich wird. Das hätte bedacht werden müssen. Aber dann steht mitten im Heftchen, genau die 17. von 34 Geschichten, eine echte Erzählung, dicht und stark in Sprache und Gefühl, groß im Ausdruck, ein kleines literarisches Meisterwerk, das an die ganz Großen der erzählenden österreichischen Literatur wie Stifter oder Rosegger heranreicht und der nichts mehr von der Eierschale des Berichts anhaftet, sondern die unter der gestaltenden Kraft Koppensteiners zu einem selbstän digen Kunstwerk wurde: „Brot"! Diese eine Erzählung rechtfertigt das ganze editorische Drum und Dran der übrigen — vorwiegend volkskundlich interessanten, weil Aberglauben und Brauchtum (auch manche Bosheit im engen dörflichen Bereich) betreffenden — „Geschichterln." Diese eine Erzählung ist groß, warmherzig tmd ergrei fend, ohne allen sentimentalen Beigeschmack. Sie ist es auch, die uns Koppensteiner die Mahnung zurufen läßt: Weniger wäre mehr gewesen! Denn wenn er einige solch dichte Erzählungen böte, brauchte er keine ermüdende Vielfalt. Die Tiefe des Ausdrucks ist heute seltener als eine quantitative Breite. Wir dürfen mit einer Anekdote um Anton Bruckner ab schließen: Der betagte Meister wurde um seine Meinung über (seinen heimlichen, aber populäreren Gegner) Jo hannes Brahms gefragt. Er antwortete: „Der Herr Dok tor? Allen Respekt! Aber meine Sachen sind mir lieber!" In einer auf Sepp Koppensteiner gemünzten Abwand lung hieße das: „Der erzählende Koppensteiner? Fleißig, fleißig! Aber seine Mundartgedichte sind mir lieber!" Also: Weniger Geschichterln und mehr Erzählungen vom Gehalt der einen: „Brot"! Fritz Feichtinger
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