OÖ. Heimatblätter 1978, 32. Jahrgang, Heft 3/4

Wie nach 114 Jahren die „Innviertier Schulden" beglichen wurden VonHarryS1apnicka Als der oberösterreichische Landtag am 8. Fe bruar 1894 — es war die 22. Sitzung der vierten Session der VIII. Legislaturperiode — die „Liqui dierung und Entfertigung der sogenannten Innviertler Schuldenforderung an Bayern" nicht nur genehmigte, sondern auch die langwierigen Ver handlungen des Landesausschusses, also der da maligen Landesregierung, „mit Befriedigung zur Kenntnis nahm"L da wußte, abgesehen von den direkt Betroffenen, 114 Jahre nach der Angliederung des Innviertels kaiun noch jemand, worum es sich bei diesen „Innviertier Schulden" überhaupt handelte. Das war nicht ganz unverständlich, denn diese „Innviertier Sdiulden" wurden bis zuletzt mit anderen Forderungen des Landes Österreich ob der Erms an die Wiener Regierung, den so genannten „Invasionskosten", „Etappenforde rungen" und „Spitalsforderungen" der Jahre 1800, 1801, 1805 und 1809, und diese mit Ge genforderungen der Regierung an Oberöster reich vermischt. Mit Recht konnte man also von einer „leidigen Angelegenheit" sprechen®, von einer „Seeschlange, die sich schon durch das ganze Jahrhundert hindurchzieht"® und sidi nur noch wenige Experten in dieser Materie auskann ten. Anläßlich der Feiern zum hundertjährigen Gedenken der Abtretung des Iimviertels an Österreich wurde diese Frage neuerlich an Kaiser Franz Joseph herangetragen und dann nach lang wierigen Verhandlungen immerhin in einem Jahrzehnt bis zum Jahre 1895 einer Lösung zu geführt. In einem außerordentlich gründlichen Bericht des obderennsischen Landesausschusses an das hohe k. k. Finanzministerium aus dem Jahre 1886 wurde einleitend festgestellt, daß die Städte Braunau, Ried und Schärding, der Markt Mattighofen, dazu verschiedene Stiftungen, Corporationen und Private im Innviertel Forderungen, die sogenannten „Innviertier Schulden", hätten, die mehr als ein Jahrhundert „und zum theil zwei Jahrhunderte" hinaus „vollständig zu Recht be stehen"^. Es handelte sich dabei vorwiegend um Darlehen und „Anleihen", die von den bayrischen Kurfür sten während des Zeitraumes von 1620 bis 1740 „theils zur Kriegsführung und zur Landesvertheidigung, theils zum Landesbesten, theils zur Regulierung des Schuldwesens, sohin nur zu Staatszwecken aufgenommen und worüber Schuldurkunden von den damaligen Fürsten oder der Landesvertretung Bayerns ausgestellt worden waren"*. Ein wenig deutlicher und drastischer — oder auch opportunistisch? — drückte sich über diese Schulden im Landtag der Abgeordnete Kyrie aus Schärding aus: „Unter der Regierung der bayrischen Herzöge hatte die Stadt Schärding keine glückliche Zeit. Die vielen und langjährigen Kriege, in welche die Herzöge verwickelt waren, waren Ursache von Geldverlegenheiten und in folge dessen mußten Darlehen aufgenommen werden, weldie aus dem Lande genommen wer den mußten. Diese Darlehen wurden im Wege der Contingentierung eingetrieben®." Man ging dabei so vor, daß Städte, Märkte imd Stifte Zwangsdarlehen auferlegt erhielten, für welche sie aufzukommen hatten — wie etwa im Ersten Weltkrieg die nicht ganz freiwillige Zeichnung von Kriegsanleihe durdi die Städte. Die Stadt Schärding hatte zuletzt 1735 ein solches Zwangs darlehen zu leisten, wobei sich die Gesamtdar lehenssumme allein dieser Stadt auf 35.000 fl (rheinisch) erhöhte. Nun wurden tatsächlich die Zinsen dieser Schuld forderungen bis zum Jahre 1778 von der kur fürstlich bayrischen Regierung bezahlt. Aber schon in den letzten fünfzig Jahren, zwischen 1749 und 1779, wurden die Innviertier Gläubiger durch den sogenannten „Umtritt" der bayrischen Renterei geschädigt. Dieser Umtritt bestand darin, daß die bayrischen Herzöge seit 1749 nur noch die halben Zinsen zahlten, während die ' Oö. Sten. Prot. 8. 2. 1894, S. 342. - Oö. Sten. Prot. 21. 11. 1887, S. 538 (Abg. Ritter von Hayden). OÖ. Sten. Prot. 21. 11. 1887, S. 542 (Abg. Kränzl). ^ Bericht des Landesausschusses, womit die von ihm an das hohe k. k. Finanz-Ministerium gerichtete Note vom 17. November 1886, Z. 3110 und 3630, in Betreff der gegenseitigen Ansprüche des Staates und des Lan des Oberösterreich, der oberösterreichischen Invasions kosten, Etappen- und Spitalsforderungen und der Innviertler Schuldforderungen dem hohen Landtage mitgetheilt wird; B. Nr. 52 zum stenographischen Landtagssitzungs-Protokolle 1886. » Oö. Sten. Prot. 21. 11. 1887, S. 539 ff.

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