Dieses Ergebnis zwingt zu der Annahme, daß sich in der periodenspezifischen Naturraum bewertung der Siedlungen eine Änderung der wirksamen Wertestrukturen äußert. Die Bedeu tung der Werteebene innerhalb des vorgestell ten Modells siedlungsspezifischer GesellschaftUmwelt-Beziehimgen ist damit für das Unter suchungsgebiet wohl zumindest soweit gesichert, daß weiterführende Analysen sinnvoll und not wendig erscheinen. Allen bisher diuchgeführten Überlegungen liegt eine stillschweigend vorausgesetzte Aimahme zu grunde, deren Gültigkeit erst die getroffenen Schlußfolgerimgen rechtfertigt. Es ist leicht ein zusehen, daß ein Vergleich der Besetzung bzw. Bewertung der Naturräume einer Siedlimg in der vorgestellten Form nur dann sinnvoll durch geführt werden kann, wenn die ausgewiesenen Naturräume von ihrer Ausdehnung und ihren Lagebeziehungen her auch imgefähr die gleiche Chance besitzen, als Siedlungsstandort gewählt zu werden. Eine Naturraumeinheit geringer Größe, die in der ersten Periode mit Gebäude einheiten voll besetzt wurde, fällt in den Folge zeiträumen als Wahlobjekt natürlich auch dann aus, wenn ihr bei entsprechender Verfügbarkeit eine sehr hohe Bewertung zukäme. Mit der Er richtung materieller Strukturen des Kulturrau mes hat der wirtschaftende Mensch seine eigene Handlungs- und Wahlfreiheit in erheblicher Weise selbst eingeschränkt. Das beschriebene Phänomen ist in der Sozialgeographie als „Persistenzprinzip" bekannt (J. Maier et al, 1977, S. 79; H. D. De Vries-Reilingh, 1968). An dererseits ist das Siedlungswachstum einer Pe riode natürlich auch abhängig von den bereits bestehenden Siedlungsstrukturen. Naturräume in unmittelbarer Nähe des Ortszentrums besitzen bei der Tendenz eines zentral-peripheren Sied lungswachstums eine größere Chance, als Ge bäudestandort ausgewählt zu werden, als gleich wertige, aber entferntere Naturräume (vgl. J. Nipper und U. Streit, 1977). Bei allen Ana lysen der vorliegenden Arbeit wurde daher immer überprüft, ob auf den erfaßten Natur raumeinheiten in ungefähr gleicher Entfernung vom Ortszentrum hinreichend große, unbesetzte Freiflächen zur Verfügung stehen. In den selte nen Fällen, in denen diese Bedingung nicht er füllt war, wurde der entsprechende Naturraum in den Diagrammen mit dem Hinweis „blockiert" versehen. Im Mittelpunkt der bisherigen Überlegungen stand vor allem die Frage, inwieweit innerhalb einer Siedlimg unterschiedliche Naturräume un terschiedlich bewertet wurden. Die im Ab schnitt 5.2. einzeln besprochenen Okkupations diagramme lassen demgegenüber aber auch die Vermutung zu, daß ähnliche Naturräume oder Naturraumkonstellationen über mehrere Sied lungen hinweg ähnliche Besetzungsmuster auf weisen. Es soll daher abschließend überprüft werden, ob die erarbeiteten Ergebnisse nicht auch Aussagen über eine naturraumtypische Sied lungsentwicklung zulassen. Die hier zur Verfü gung stehende Datenmenge erlaubt zwar keine statistisch fundierte Analyse, eine stärkere Ge neralisierung und Zusammenfassung der Natur raumkategorien läßt aber dennoch einige charak teristische Gemeinsamkeiten in den naturraumbezogenen Entwicklungstendenzen der Siedlun gen erkennen. Ein einfacher Vergleich der Bewertimgsmuster kann dadurch bewerkstelligt werden, daß man für eine Serie ähnlicher Naturräume die Bebau ungsstände mit der jeweils relativ niedrigsten und der relativ höchsten Besetzungszahl inner halb einer Siedlung einander gegenüberstellt. Gemeinsamkeiten der Bewertung müßten sich dann in der Häufung besonders hoher oder be sonders niedriger Besetzungszahlen in bestimm ten Perioden erkennen lassen. Die Diagramme des Textbildes 19 veranschaulichen das Ergeb nis dieses Vergleichs. Einige der erfaßten Naturräume weisen als Ge meinsamkeit eine starke Beeinflussung durch Grundwasser oder hohe Überschwemmungs gefahr auf. All diese Naturräume wurden als „Feuchtgebiete" im Diagramm 19.1 zusammen gefaßt, wobei für jeden Naturraum jeweils der Bebauungsstand mit der relativ niedrigsten Be setzungszahl innerhalb einer Siedlung durch ein Kästchen mit Kreuzschraffur, der Bebauungs stand mit der relativ höchsten Bewertung durch ein Kästchen mit Punktraster dargestellt wurde. Das Diagramm verdeutlicht, daß eine besonders hohe Bewertung der Feuchtgebiete zwar in allen Perioden vorkommt, bei mehr als der Hälfte der
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