OÖ. Heimatblätter 1978, 32. Jahrgang, Heft 3/4

Naturraiun gestellt werden. Siedlungen werden üblicherweise definiert als menschliche Wohn stätten oder als zusammengehörige Komplexe von Wohnstätten. Natürlich sind Siedlungen aber auch Arbeits-, Produktions-, Versorgungs-, Erholungs-, Bildungs- und Verkehrsstätten. Dementsprechend vielgestaltig sind auch die Standortanforderungen an den Naturraum, die je nach Siedlimgstyp stark differieren können. Eine reine Agrarsiedlung wird andere Natur raumpotentiale beanspruchen als eine Bergbau siedlung oder eine Siedlung mit reiner Wohn funktion. Bei einer gemischtfunktionalen Sied lung kann angenommen werden, daß folgende Naturraumpotentiale direkt oder indirekt in den Bewertungsprozeß eingehen (vgl. K.-D. Jäger und K. Hrabowski, 1976, S. 29, Tab. 1): biotisches Ertragspotential, Wasserdargebotspotential, Rohstoffpotential, Bebauungspotential, Ent sorgungspotential und Rekreationspotential. Im Sinne der Vorbemerkungen zu diesem Kapitel sind alle genannten Potentiale und ihre Bewer tungen sowohl in der topologischen als auch in der chorologischen Dimension wirksam. Bei der Kategorie „Rekreationspotential" mit dem ihr innewohnenden Aspekt der naturraumbezogenen Wohnsitzattraktivität werden direkte funktio nale Beziehungen zwischen Naturraum und dem nutzenden Menschen nicht nur auf dem Weg über Stoff- und Energiekreisläufe, sondern auch über den Informationskreislauf wirksam (Pfeil 22). Wie wir aus zahlreichen Untersuchungen zur Geographie des Freizeitverhaltens wissen, übt der Naturraum auf den erholungssudhenden Menschen eine nicht zu unterschätzende stimulie rende Wirkung aus, deren Bedeutung in unserer hochtechnisierten Zivilisation immer größer wird. So wird etwa der „Grenzsaumeffekt", der sich durch die ästhetische Wirkung des Aneinandergrenzens verschiedener ökotope ergibt, in unse rem Kulturkreis als besonders anregend und „schön" empfunden (vgl. z. B. H. Kiemstedt, 1967). Selbstverständlich werden derartige psy chisch wirksamen Naturraumqualitäten auch bei der Bewertung der Attraktivität einer bestimm ten Wohnlage bedeutsam, was sich unter ande rem auch auf den Preis von Bauparzellen etwa an einem Seeufer, in Hanglage oder am Rande eines Naturschutzgebietes auswirkt. Nim ist es in den empirischen Wissenschaften leider rdcht ausreichend, ein einigermaßen plau sibles Modell für die Darstellung von Funktions abläufen und Ursache-Wirkung-Relationen zu besitzen. Modelle sind ja nur formale, symbo lische Abbilder von Verknüpfungssystemen zwi schen Sachverhalten (D. Bartels, 1970, S. 14). Es ist notwendig, derartige Modelle inhaltlich zu interpretieren und damit wissenschaftliche Theo rien aufzustellen. Zu diesem Zweck muß das Modell operationalisiert werden. Das bedeutet: Die einzelnen Teilglieder des Modells müssen durch konkrete Forschungsoperationen so be schrieben werden, daß es möglich ist, sie durch empirisch gewonnene Daten zu ersetzen. An die ser Stelle ergeben sich meist — und auch, wie das folgende Kapitel zeigen wird, bei unserer Frage stellung — die größten Schwierigkeiten der prak tischen Forschungsarbeit. Zahlreiche aufwendige empirische Untersuchungen wären notwendig, um alle im besprochenen Modell dargestellten Teilglieder und Fließgrößen detailliert zu erfas sen und zu analysieren. Der folgende Versuch einer empirischen Auseinandersetzimg mit unse rem Problem kann daher lediglich die Aufgabe haben, Anhaltspunkte dafür zu liefern, daß das Modell ein zutreffendes Abbild der Wirklichkeit ist, und dabei zu helfen, einige Arbeitshypothe sen für eine weitere Beschäftigung mit der Frage der siedlungsspezifischen Gesellschaft-UmweltBeziehungen zu formulieren. 3. Einige Basishypothesen des Modells und Möglichkeiten ihrer Überprüfxmg Im vorangegangenen Abschnitt wurde bei der Diskussion des Informationskreislaufes inner halb der Entscheidungsebene ausdrücklich betont, daß die Vorstellimg über den Naturraum nur ein Bewertungskriterium unter anderen, vorwie gend wirtschaftlichen, sozialen und technologi schen Gesichtspunkten darstellt. Das auf eben diesen Einfluß des Naturraum-Images abzielende Modell kann daher nur dann als brauchbares Ab bild der Wirklichkeit angesehen werden, wenn durch eine empirische Überprüfung der Nach weis zu erbringen ist, daß der durch Pfeil 9 sym bolisierte Einfluß des Naturraumes auf das räum liche Entscheidungsverhalten des Menschen in nerhalb der Gesamtwirkimg aller Bewertungs-

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