OÖ. Heimatblätter 1978, 32. Jahrgang, Heft 3/4

unersetzbarer natürlicher Ressourcen. In den ver schiedensten Erfahrungswissenschaften beschäf tigt man sich vielmehr seit einiger Zeit auch mit den weniger dramatischen, aber vielleicht gnmdsätzlicheren allgemeinen Problemen der Gesell schaft-Umwelt-Beziehungen. Dabei stehen beide Seiten dieses Systemzusammenhanges im Mittelpimkt des Interesses. Man untersucht also nicht nur die Eingriffe des wirtschaftenden Menschen in natürliche Ökosysteme, sondern befaßt sich zunehmend auch mit der Frage, inwieweit die natürliche Umwelt — auf welchen Umwegen auch immer — den einzelnen Menschen, soziale Grup pen oder ganze Gesellschaftssysteme tmd deren räumlich-materielle Erscheinungsformen beein flussen kann. In diesem Zusammenhang wurde verschiedentlich auch danach gefragt, ob und in welchem Ausmaß der jeweilige Naturraum und seine Ausstattung steuernd, lenkend, Grenzen setzend oder modifizierend auf menschliche Sied lungen Einfluß nehmen könne. Die Geographie befaßt sich seit ihrer Konsolidie rimg als akademische Disziplin nicht nur mit der Untersuchung menschlicher Siedlungen, sie ist auch jene Wissenschaft, die sich als erste speziell dem Gesellschaft-Umwelt-Problem zuwandte und dieses Thema zu einer für das Fach zentralen Fragestellung erhob. Dementsprechend haben Untersuchungen, die sich mit den Wechselbezie hungen zwischen Naturraum und Siedlungs struktur befassen, in der Geographie eine lange Tradition. Man glaubte zunächst, den Einfluß des Naturraumes auf die menschliche Gesellschaft di rekt erfassen zu können und war der Meinung, daß die Eigenschaften des Naturraumes die Aus prägungen des Kulturraumes determinieren wür den. Auch der in der französischen Geographie entwickelte Possibilismus, der davon ausging, daß der Naturraum nicht zwinge, sondern nur Möglichkeiten bereitstelle, brachte gegenüber dem oben erwähnten Geodeterminismus keine wesentlichen methodischen Fortschritte. Beide Konzeptionen, denen monokausale Erklärungs modelle und direkte Schlüsse vom Naturraum auf kulturräumliche Gegebenheiten gemeinsam sind, wurden daher mit Recht kritisiert und als wissenschaftliche Denkmodelle verworfen. Die moderne Geographie hat aber nun eine ganze Reihe methodischer Konzeptionen zum Teil selbst entwickelt, zum Teil aus anderen Wissen schaften übernommen, die geeignet sind, der Er forschung dieses Problems neue Impulse zu ver mitteln. In der vorliegenden Arbeit sollen am konkreten Beispiel ausgewählter Siedlungen des Politischen Bezirkes Braunau am Inn einige Gesichtspunkte dieser Problematik besprochen werden, wobei die Frage einer möglichen Beeinflussung der Sied lungsstrukturen durch die Eigenschaften oder die Anordnungsmuster des Naturraumes im Vorder grund steht. 2. Vorüberlegungen zum Funktionsablauf siedlungsrelevanter Gesellschaft-UmweltBeziehungen Einige der oben erwähnten neueren methodolo gischen Konzeptionen und eine Reihe bereits vorliegender empirischer Untersuchungsergeb nisse lassen sich dazu verwenden, ein einfaches, auf die Siedlungsanalyse abzielendes Formal modell der Gesellschaft-Umwelt-Beziehungen zu entwerfen. Bei allen von der Geographie durchgeführten Untersuchungen räumlicher Phänomene hat es sich als zweckmäßig und notwendig erwiesen, zwei „Betrachtungsdimensionen" oder Haupt untersuchungsmaßstäbe zu unterscheiden (E. Neef, 1963). In der topologischen Dimension werden kleine, in sich homogene Raumeinheiten in Hinblick auf das in ihnen wirksame „verti kale" Beziehungsgefüge betrachtet. Als Beispiel könnte etwa die Untersuchung der gesetzmäßi gen Zusammenhänge zwischen Bodentyp, Boden wasserhaushalt und Vegetation eines Standortes oder der Beziehung zwischen Baualter, Woh nungsgröße und Zustand der sanitären Einrich tungen eines Wohngebäudes und der Sozial struktur seiner Bewohner angeführt werden. In der diorologischen Dimension werden dagegen die wechselseitigen Lagebeziehungen, also die „horizontalen" Verflechtungen zwischen hetero genen Raumeinheiten, untersucht. Als Beispiel seien etwa die Beziehungen zwischen dem Ab flußverhalten eines Flusses und der Morphologie seines Einzugsgebietes oder der Zusammenhang zwischen Art und Intensität des Gemüseanbaues eines bestimmten Gebietes und der Entfernung

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