Viertels kommt uns aber doch erst dann zum Bewußtsein, wenn wir ims die Mühe nehmen, bergauf imd bergab zu wandern tmd dabei der Reihe nach den Koglerberg, den Irrsberg, den Tannberg, den Buchberg und den Haunsberg zu besuchen. Vom Haunsberg aus schaute Kaiser Josef II. im Jahre 1779 zum erstenmal über das Irmviertel, ehe er dieses neuerworbene Länd chen bereiste, um hernach seiner Mutter Maria Theresia über diesen Gau zu berichten. Am Haunsberg bricht die Flyschzone steil zur Salz ach ab. Die vielfach gestaffelte Rückenreihe scheint hier ihr Ende zu nehmen, denn erst tief im Bayernlande beginnt sie mit dem Teisenberge aus ihrer Versenkung und Verschüttung am Nordrande des Salzburger Beckens wieder auf zusteigen. Durch diese weite natürliche Bresche bekommt die ganze Westhälfte des Oberen Inn viertels eine sehr freie Schau auf das Hoch gebirge der nördlichen Kalkalpen, die ganz un vermittelt aus dem Salzburger Becken aufzu steigen scheinen. Wie der Kreis Braunau einmal Leben und Kultur seinen Nachbarländern verdankte, ähnlich tra gen diese Gebiete jenseits der politischen Kreis grenze von heute noch viel dazu bei, dem Naturund Kulturgeschichte des Oberen Innviertels eine prachtvolle Note zu geben. Am bayrischen Salz achufer thronen die Burgen der altehrwürdigen Städte Tittmoning und Burghausen. Als stolze Vorzeitformen einer hohen mittelalterlichen Bau kultur schauen sie in unser Land herein. Weit großartiger wirken aber noch die wuchtigen „Felsenburgen" im Süden: der Watzmann, der Untersberg, der Hohe Göll und das Tennen gebirge. Bei günstiger Witterung rücken diese Kalkklötze ganz nahe an die friedliche Oberinnviertler Landschaft heran und geben ihr bei nahe den Charakter einer formenschönen Hochgebirgswelt. Trotz großer Liebe zum Heimatgau muß der Kulturgeograph und Geschichtsforscher doch immer wieder nach den Nachbarländern Salzburg und Bayern blicken, um die Wesens züge des Oberen Innviertels besser zu verstehen. Vorerst zur Höhenwanderung vom Koglerberg über den Tannberg zum Haunsberg. Diese Fahrt soll man nur an einem Föhntag in den ersten Frühlingswochen oder im scheidenden Herbst rmternehmen. Hat man Wetterglück, dann loh nen sich die kleinen Mühen des wiederholten Auf- und Abstieges reichlich. Unvergeßliche Bil der prägen sich tief in unsere Seele. Der Wanderer, der die Naturschönheit der Alpen noch niemals an einem Föhntage geschaut hat, wird ganz darauf vergessen, seine Blicke auch nordwärts ins Obere Innviertel zu richten. Der Formen- und Farbenreichtum glitzernder Schnee felder, in Rosa-, Tinten- oder in Blautöne ge tauchter Kalkberge, das Nebeneinander tief schwarzer Waldberge, saftig grüner Wiesen und hell aufleuchtender Seeflächen gehört fast durch aus dem Lande Salzburg an. Dem Braunauer Ländchen scheint nur eine Art Aschenbrödel rolle zuzukommen. Hat der Wanderer aber etwas Geduld, dann wird er neben dem „Heldendrama" der Alpenwelt auch die „lyrische Symphonie" der Innviertier Hügelgebiete und Talfurchen empfinden. Da werden breite Beckenlandschaf ten mit kleinen Seeaugen, von ganzen Reihen leicht gewellter Hügelbänder umgürtet, sichtbar. Auf gar mancher Anhöhe thront zu höchst oben eine stattliche Kirche mit einer barocken Zwiebel oder einem gotischen Spitzhelm. Über Hügel und Mulden verstreut liegen in weiten Abständen Bauernhöfe, die inmitten ihrer Äcker und Wie sen tiefen Frieden atmen. In der Furche des Mattigtales und stellenweise auch im Salzach tale werden größere Siedlungen sichtbar. Nord wärts und ostwärts steigen über das gesegnete Bauernland hinaus Wälder zur Höhe, die erst am Horizonte eine scharfe Grenze finden. Im Osten ist es der schon öfters genannte Kober naußerwald, gegen Norden das unterbayrische Hügelland, das zum Inntale steil abbricht und mit ihm allmählich aus einer west-östlichen Rich tung etwas mehr gegen Norden abschwenkt. Die Höhenwanderung über die Flyschkuppen zeigte uns bereits alle Landschaften des Oberen Inn viertels, die wir in der Folge noch eingehender zu schildern haben: Wir sehen wenigstens in groben Umrissen die Verkehrslandschaften längs der Mattig, an der Salzach und, freilich nur leicht angedeutet, die des Inntales. Das stillere Bauernland kommt uns von oben her recht eindrucksvoll zum Bewußt sein. Durch den Reichtum an großen Wäldern,
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2