OÖ. Heimatblätter 1978, 32. Jahrgang, Heft 3/4

fürchteten Unruhen. Dodi dazu kam es nicht: Die Braunauer erlebten Palms Ende vielmehr sdireckerstarrt®: „Gegen zwei Uhr, also nur drei Stunden nach der Ur teilsverkündung, wurde Palm aus dem Kerker geholt. Man band ihm die Hände auf den Rücken und brachte ihn auf einen Leiterwagen, auf dem auch die beiden Seelsorger Platz nahmen, und nun bewegte sich der düstere Zug durch die schweigende Menschenmenge, die sich angesammelt hatte, zur Richtstätte. Hier nahm Pöschl rührenden Abschied von dem Verurteilten und verband ihm die Augen. Mit den Worten: ,Ich bin un schuldig!' kniete Palm nieder. Sechs der ältesten Unter offiziere traten vor, und wenige Augenblicke später sank Palm, von ihren Kugeln getroffen, nieder. Er war aber nicht tot, sondern wälzte sich ächzend in seinem Blute. Die nächsten Schüsse machten ihn zwar verstummend, doch als Pöschl hinzusprang, gewahrte er Palm noch und schrie laut auf. Die Zuschauer weinten, der Kapitän aber schalt in höchstem Zorn auf die Soldaten ein. Da traten zwei Mann dicht an den Schwerverwundeten heran, feuerten ihre Gewehre gegen seine Schläfen ab und gaben ihm so endlich den Tod. Die Stimmung nach der Hinrichtung war äußerst gedrückt. Palm wurde von groß und klein, arm und reich bedauert, als ob er ein gebürtiger Braunauer und aller Freund gewesen wäre. Selbst die meisten Soldaten zeigten Mitleid, und der kommandierende Kapitän erklärte, daß er lieber quittieren, als nochmals eine solche Exekution mit machen wolle. Palms Leichnam, der laut Befehl des französischen Festungskommandanten auf dem Richt platz in ungeweihter Erde eingescharrt hätte werden sollen, wurde vom Totengräber Tschauner auf den Fried hof geführt." Über die Justifizierung Palms unterrichtet auch ein Ölbild, das Leopold Wolfganger 1865 nach einem Entwurf von Sylvester Falk gestaltet hat. Es zeigt den Deliquenten kniend unmittelbar vor Abgabe der — leider — nicht tödlichen ersten Salve, links und rechts stehen die Geistlichen, wobei Pöschl mit der Rechten zum Himmel weist, und den Hintergrund schließen französische Gre nadiere und Kürassiere sowie die Zuschauer menge ab, die von einem Soldaten bewacht wird. Die merkwürdigste Gestalt auf diesem Bild ist links vorne ein Zivilist, nach der damaligen Mode gekleidet und offenbar dem gehobenen Stand angehörend: er blickt nicht auf Palm hin, son dern verbirgt nachdenklich sein Gesicht — es ist bis heute nicht gelungen, den Mann, der vom Maler bestimmt nicht als Staffage gedacht war, einwandfrei zu identifizieren. So bleibt vieles, was die Affäre Palm betrifft, Ge heimnis und Vermutung. Niemand kann mit Sicherheit sagen, welcher Autor am Tode des Nürnberger Buchhändlers mitverantwortlich war, niemand kann sagen, was Johann Philipp Palm wirklich bewog, sich zweimal in gefährliche Si tuationen verwickeln zu lassen, und lüemand kann sagen, weshalb Palm — ein liebender Fami lienvater! — eher den von ihm gefürchteten Tod in Kauf nahm, als seine Auftraggeber zu ver raten. Eines hingegen offenbarte sich rasch: Napoleons Rechnung ging nicht auf. Im Gegenteil: die Hin richtung Palms wurde für das unterdrückte Europa zum Fanal, und Palm selbst zum Helden, zum Vorbild und Märtyrer für mehr als eine Generation. Sein Porträt, das ihn mit gepuderter Perücke und in einer etwas altmodischen Tracht zeigt, ging von Hand zu Hand und war in Deutschland gleichermaßen verbreitet wie in Spa nien oder in Österreich. Auch die Familie Palm vergaß man nicht ganz, obgleich es freilich kaiun jemand wagte, bis zum Sturz Napoleons offen für sie einzutreten. Ledig lich der bereits erwähnte Graf Soden tat das: er gründete in England ein Komitee, das auf Sub skriptionsweg eine bedeutende Summe für die Witwe und Waisen des Hingerichteten zusam menbrachte. Das ist zusätzlich ein Grund, wes halb viele Graf Soden als Verfasser von „Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung" an erkannt wissen wollten. Den innigsten Kontakt zur Witwe Palms hielt jedoch Thomas Pöschl aufrecht — ungeachtet der Gefahren, die ihm daraus erwachsen hätten kön nen. Bereits am 4. September 1806 unterrichtete der Geistliche Anna Maria Palm ausführlich vom Tod ihres Gatten und übersandte die ihm übergebenen Utensilien. Auf Pöschl hatte die Hinrichtung Palms, der er unmittelbar beiwohnen mußte, einen unauslösch lichen Eindruck gemacht, und sie hat sicherlich dazu beigetragen, den ohnehin labilen und von religiösen Wahnvorstellungen geplagten Priester in den Irrsinn zu treiben. Thomas Pöschl starb 1837 in Wien. Die ersten, die sich um ein Denkmal für Johann Philipp Palm bemühten, waren verständlicher- * Ebenda.

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