OÖ. Heimatblätter 1978, 32. Jahrgang, Heft 3/4

blieb unbekannt, man weiß nur, daß die Sdirift im Frühling 1806 erschienen ist und von der Stein'sdien Buchhandlung in Nürnberg — also von Johann Philipp Palm — vertrieben wurde®. Nach einem Vorwort mit dem wenig einfallsrei chen Titel „An den Leser", schildert der Anony mus die Situation in Frankreich, Österreich, Eng land, Preußen und Sachsen zu seiner Zeit. Be stimmend ist dabei der Haß gegen Napoleon, womit jede Objektivität ausgeschaltet erscheint und für Fehlurteile Tür und Tor geöffnet sind. An und für sich handelte es sich bei der Bro schüre „Deutschland in seiner tiefen Erniedri gung" um ein Machwerk, aber sie erregte im ganzen deutschen Sprachraum ungeheures Auf sehen — weit mehr als die fundierten Darstellun gen und Anklagen eines Schleiermacher oder Arndt. Das mag Napoleon bewogen haben, unter allen Umständen den Verfasser eruieren zu las sen. Doch das gelang nicht, denn Johann Philipp Palm hat das Geheinmis ins Grab mitgenommen. So ist man auf Vermutungen angewiesen, wobei vorwiegend zwei Namen eine Rolle spielen: Friedrich Julius Heinrich Graf Soden und Johann Konrad von Yelin. Graf Soden war mit der Familie Palm befreundet und ließ das Pasquille 1814 — allerdings stark verändert — neu auflegen. Das allein genügte schon, um Soden als angeblichen Autor zu identi fizieren. Außerdem glaubte man Parallelen zwi schen Sodens Hauptwerk — seiner neunbändigen „Nationalökonomie", die der Graf von 1805 bis 1824 veröffentlichte — und der Flugschrift erken nen zu können. Schließlich verwies man auf So dens ausgeprägtes aristokratisches Gefühl, das ihn bewog, Napoleon als Emporkömmling zu apostrophieren. Neben Julius Graf Soden wird als Verfasser der Unglücksschrift der Ansbacher Gymnasialprofes sor Johann Konrad von Yelin genannt. Den Grund dazu lieferte Palms Sohn, der in Gesprä chen mit Friedrich Schultheiß, der eine Abhand lung über das Thema herausbrachte®, auf Yelin hingewiesen haben soll, ohne allerdings präzise Angaben machen zu können. Auch der Onkel Yelins, Philipp Christian Gottlieb Yelin, der — nachdem er seine Stellung als Patronatspfarrer verloren hatte —, sich recht und schlecht mit sAriftstellerischen Arbeiten fortbrachte, taucht in diesem Zusammenhang auf; die Ansicht, daß er der Autor der Schmähschrift war, wird dadiuch bestärkt, daß Philipp Yelin seit dem Sommer 1806 verschollen ist. Zur selben Zeit befand sich Johann Philipp Palm bereits in höchster Gefahr. Mitte August verhaf tete die französische Geheimpolizei den Ge schäftsführer der Stageschen Buchhandlung in Augsburg, Karl Friedrich von Jenisch, unter dem Verdacht, das Pasquille vertrieben zu haben. Als Palm davon erfuhr, packte ihn die Angst und er versuchte zu fliehen, denn er war überzeugt, daß Jenisch aussagen werde, und das geschah auch: der Augsburger Buchhändler konnte überzeu gend nachweisen, daß nur sein Nürnberger Kol lege Palm als Täter in Frage komme. Palm tauchte einige Tage in Erlangen unter, kehrte aber dann zu seiner Familie zurück und versteckte sich auf dem Dachboden seines Hauses in der Winklergasse. Doch das half ihm nichts: durch den plumpen Trick eines Geheimagenten, auf den Palms Faktotum Fridolin Pech herein fiel, wurde Palm aufgestöbert und am 14. August 1806 verhaftet. Man brachte ihn zunächst in Begleitung seines langjährigen Freimdes Holzschuher nach Ansbach, wo Marschall Bernadotte sein Hauptquartier hatte. Holzschuher versuchte auch sofort mit dem Marschall Verbindung auf zunehmen, aber er kam nicht weiter als bis zu einem Adjutanten, der jedes Gespräch über den „Hochverräter Palm" schroff ablehnte. Holz schuher kehrte daraufhin nach Nürnberg zurück, um für seinen Freund möglichst rasch einen An walt aufzutreiben. Mittlerweile hatten sich die französischen Behör den in München mit dem Fall Palm eingehend beschäftigt, und man war sich einig, daß — ganz nach dem Willen des Kaisers — ein Exempel sta tuiert werden müsse. Die Frage war nur wo, denn König Maximilian ließ wissen, daß er der Verurteilung eines bayerischen Untertanen durch ein französisches Gericht auf seinem Territorium nicht zustimmen könne, weil die ohnehin ' M. Riegel, Der Buchhändler J. Ph. Palm; Hamburg 1938. " Friedrich Schultheiß, Johann Phil. Palm; Nürnberg 1860.

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