OÖ. Heimatblätter 1978, 32. Jahrgang, Heft 3/4

„Wegen der pasquillartigen und der Ehre der Universi tät und ihrer Individuen auf beispiellose Art nahetre tenden, höchst verleumderischen Schrift, ist bei an nahendem Herbstmarkt nicht allein der Steinsche Bücherverlag in Beschlag zu nehmen, sondern auch zur selben Zeit der Inhaber der Steinischen Buchhandlung, Palm, oder wenn dieser selbst nicht hierher kommt, dessen Handlungsbedienten alsogleich verwahrlich ein zuhalten und denselben durch die Kriminalkommission ernstlich aufzugreifen, daß sie entdecken, von wem besagte Handlung das Manuskript erhalten habe, indem man sowohl ihn, Johann Philipp Palm, und dessen Be dienten als dessen Warenlager so lang in Verwahr hal ten würde, bis sie sich von dem Verdacht vollends ge reinigt oder den wahren Einlieferer des Manuskripts namhaft gemacht haben würden. Zugleich wird die Mahnung erlassen, bei Einleitung dieser Inquisition mit möglichster Geheimhaltung zu Werke zu gehen, damit Palm nicht Lust gemacht werde, entweder von hier weg zu bleiben oder, da er hier ankommt, sich noch ehe bevor, als man seine Person faßt, zu entfernen." Diese Vorsichtsmaßregel erwies sich als unnötig: Johann Philipp Palm kam nach Salzburg, wurde wenige Stunden später verhaftet und kurze Zeit danach vor ein Gericht gestellt. Und nun zeigte sich höchst Merkwürdiges: der Nürnberger Buchhändler verhielt sich vor dem Salzburger Tribunal genauso wie acht Jahre spä ter vor seinen Anklägern in Braunau. Er ver weigerte — obwohl von der Haft sichtlich beein druckt — den Namen des Autors trotz aller Drohungen und behauptete, vom Inhalt der Schmähschrift nichts zu wissen. In Salzburg hatte diese Taktik Palms noch eini germaßen Erfolg: er mußte sich lediglich ver pflichten, sämtliche noch vorhandenen Exemplare des Pasquilles kostenlos nach Salzburg zu liefern und seine Handlung von Beamten des Erzbischofs überprüfen zu lassen. Außerdem wurde ihm un tersagt, weiterhin die Salzburger Märkte zu be suchen. Palm erklärte sich mit diesem Urteil ein verstanden und konnte das Gefängnis verlas sen; zuvor hatte er noch eine Kaution von 2000 Gulden zu leisten, die er von zwei Nürnberger Kaufleuten — Braun und von Schücker — borgte. Der Verfasser der Schmähschrift und eigentliche Urheber von Palms Schwierigkeiten blieb im Verborgenen und starb am 10. Dezember 1817 — elf Jahre nach der Füsilierung Palms — in Salz burg. Johann Philipp Palm hätte also aus dem Salz burger Zwischenfall eine Lehre ziehen müssen. doch er tat es nicht: als ihm im Vorfrühling 1806 der Vertrieb der anonymen und vehement gegen Napoleon gerichteten Broschüre „Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung" angeboten wurde, war er dazu sofort bereit. Bis heute dauert das Gespräch an, warum das Palm getan haben mag, zumal erwiesen ist, daß er von Anfang an echte Furcht empfand und seinen Auftraggeber, dessen Namen er wohl kannte, bezeichnenderweise — auch seiner Frau gegenüber — „Ritter von Jen seits" nannte. Die nationaldeutsche Geschichtsschreibung hatte für diese Handlungsweise bis in unser Jahrhun dert herauf nur eine Erklärung: Palm war eben ein tiefgläubiger Patriot, erfüllt von der Über zeugung, daß man im Kampf gegen den korsi schen Unterdrücker sein Leben einsetzen müsse. Daran ist sicher einiges wahr; Palm fühlte sich als Deutscher und hat lüe — zum Unterschied von vielen seiner Landsleute — mit den Franzo sen paktiert, aber da gibt es die vorhin erwähnte Salzburger Affäre, und die stimmt bedenklich, denn sie hatte gar nichts mit nationalen Bestre bungen und Wünschen zu tun, sondern sollte of fenbar nur dazu dienen, den total verschuldeten Buchhändler aus seiner mißlichen Situation zu befreien. Dazu kommt eine psychologische Komponente: Johann Philipp Palm war mit einer Frau verhei ratet, die von Kindheit an ein gesichertes bürger liches Leben gewöhnt war. Es blieb ihm daher nichts anderes übrig, als ihr ein Dasein vorzutäu schen, das dieser Einstellung entsprach. Der Haushalt Palms bestand — auch in schwerster materieller Notzeit — aus dem getreuen Buchhal ter Fridolin Pech, einem Kommis, einem Kut scher, einer Haushälterin, einer Köchin und einem Mädchen für die drei Kinder. Und während vor dem ehrwürdigen Haus in der Nürnberger Wink lergasse die Gläubiger drängten, mußte Palm sei ner Frau Wohlstand vorgaukeln und mit ihr musizieren. Der Autor der für Johann Philipp Palm tödlichen Schmähschrift gegen die französische Fremdherr schaft „Deutschland in seiner tiefen Erniedri gung" konnte bis heute — trotz aller Nachfor schungen und Stilvergleiche — nicht hundertpro zentig nachgewiesen werden. Auch der Verleger

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