OÖ. Heimatblätter 1978, 32. Jahrgang, Heft 3/4

dem Kaiser das ungerechte Verfahren vor Augen zu stellen: Die Dürreperiode vor der Ernte hatte einen Ausverkauf des Getreides imd eine Teue rung zur Folge, so daß die Bürgerschaft in größ ter Bestürzung war. Sie erhielten vom Dechant die Erlaubiüs zu einer feierlichen Prozession um die Felder und legten den Tag hiefür fest. Der Bürgermeister trug dieses Anliegen dem Rat vor und bestätigte den Antrag. Als aber in der Nacht vor dem angesetzten Termin Regen fiel, baten die Bürger um die Abhaltimg einer Dankprozes sion, der Dechant aber habe sie angefahren, wie es seine Gewohnheit war und sagte, die Prozes sion sei nicht mehr nötig, so daß sie unterblieb. Als aber in der folgenden Zeit ein lang anhalten der Regen wieder die Ernte zu vernichten drohte, verabredete man unter sich, drei Tage nacheinan der ohne Geistlichen, ohne Fahnen und ohne Ge läute Prozessionen zu halten. Man getraute sich nicht mehr beim Dechant vorzusprechen. Der De chant und der Bürgermeister, die um dieses Vor haben wußten, ließen die Prozession ohne jede Behinderung geschehen, dann aber machte der Dechant die Anzeige, benarmte einige Bürger als Rädelsführer und schilderte sie als Aufrührer, die sich den Gesetzen widersetzen wollten. Die eigentliche Absicht der Anzeige sei aber leicht zu erraten, „denn da Herr Dechant allererst ein Jahr sich hier befindet und ganz frühzeitig nach seiner Anherkunft sich mit einigen Magistratualen und übrigen Bürgern durch sein sehr hizig und ungestimmes Betragen sich zerschlagen, auch Herr Bürgermeister mit einem gleichen Tempera ment begäbet und der Bürgerschaft bereits zimlich eckelhaft ist, so scheinen sie ganz handgreif lich mittels dieser Anzeige den Antrag gemacht zu haben, daß sie alß beide herrschsüchtig und hochtrabende Männer solchergestalten und durch anhofende exemplarische Bestrafungen Jieser Bürger, welche die Bittgänge veranstaltet haben, die Magistratualen und Bürgerschaft werden un ter ihre Botmässigkeit bringen und ihnen nach Belieben auf den Köpfen herumtretten können". Auf deren Veranlassung hin seien die Bürger nach Linz berufen worden, was ihnen 140 Gul den und 25 Kreuzer an Reisekosten verursacht habe. Im ersten Punkt ihrer Rechtfertigung bezeichnen die Bürger den Dechant als die einzige Ursache der Zwistigkeiten, weil er eine feierliche Prozes sion zugesagt habe, und werm dies nicht gegen ein Gesetz verstoßen habe, dann noch viel weni ger einfache Bittgänge, gegen die weder Bürger meister noch Dechant etwas unternommen hät ten. Außerdem enthalte das Verbot der Prozes sionen keineswegs eine Androhung einer Strafe, so daß es die Absicht des Hofes gewesen sei, die Mißbräuche auszuschalten, die bei den abgehal tenen Bittgängen keineswegs vorgekommen wä ren. Außerdem sei bekannt, daß in Wien und Linz und überall Prozessionen gehalten werden, ohne daß jemand bestraft würde. Ihre zweite Beschwerde betraf die Durchführung der Untersuchung. Wenn dabei die vorgeladenen Bürger den unwahren Angaben des Dechants nicht zustimmten, ließ man die Polizeiwache rufen und bedrohte sie mit Arrest, was nicht ein mal bei einem Kriminalverfahren zulässig sei. Es hatte den Anschein, als wollte man die Unwahr heit erzwingen. Ferner hätten die langsam durch geführten Untersuchungen zur Folge gehabt, daß für die Rückreise ein anderes Fuhrwerk auf genommen werden mußte, wodurch die Un kosten für die Reise verdoppelt wurden. Weiters beklagten sie, daß nicht nur Bürger, son dern das gesamte Ratskollegium und der Syndi kus selbst, die immer als ehrliche und unbeschol tene Männer gegolten hätten, von der Untersu chung betroffen wurden, und es sei verständlich, wie schmerzlich es solchen Männern, die ihr Le ben lang nichts Strafwürdiges begangen hätten, gefallen sei, zwei, drei und vier Stunden lang stehend sich verantworten zu müssen und sich derbe Worte gefallen lassen mußten. Schließlich weisen die Bürger darauf hin, wie leicht die Angelegenheit hätte untersucht werden können, wenn man sie um ihre Rechtfertigung angehalten hätte oder ein unparteiischer Beam ter eingesetzt worden wäre. Abschließend appellieren sie an den Kaiser, daß es sicher nicht seine Gesinnung sei, daß man mit Beamten, die während der Regierungszeit seines Vorgängers durch überhäufte Arbeit ihre Kräfte eingesetzt und eines Teils oder des ganzen Ge haltes verlustigt gegangen seien, noch mit Bür gern, die durch außerordentliche Abgaben und

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